Am Nikolaustag 1932 erschien ich als erstes Biermann-Baby in Hamburg-Altona und wurde ich nach den ersten zwei Jahren erstmals und unbedarft mit den „bösen Onkels“ konfrontiert, die meinen Pappi abholen wollten. Diese Spitzbuben kamen ganz einfach in unsere Wohnstube – – –
Mein Vater war eingebürgerter Belgier, wurde aber als Deutscher zunächst mal nicht, aber nach circa 2 Jahren doch rechtmäßig anerkannt. Das waren meine Bösen, die mir zum Schluss aber erklärten, dass mein Pappa doch ein richtiger Pappa war, das hatte Onkel Adolf jetzt doch rechtmäßig anerkannt und konnte somit als Hamburger in unsere Eimsbütteler Dachwohnung einziehen. Das Gaubenfenster in unserem Kinderzimmer ließ uns nur den Himmel sehen, denn in ca. einem Meter Abstand war die Wand des Mehlbodens. Wir wohnten in einem sogenannten „Villenhaus“. Das hört sich fix toll an, ist aber im Grunde ein ganz einfaches Haus, aber doch n`büschen anners, denn alle Zimmer gehen auf das Treppenhaus hinaus. Auf jeder Etage wohnen Leute, nette Leute, aber keiner, der da wohnte, konnte seine „Wohnung“ abschließen, denn alle Türen gehen – sagte ich bereits – auf das Treppenhaus hinaus.
Mein Pappa war Maler und Holzbildhauer und nun aber Deutscher! Und er musste Geld verdienen für seine Familie, hatte auch keine Chance zurück in die Heimat – mit der Familie -, denn die Heimat wartete auf ihre heimatlichen Deserteure für den Knast. Folglich: Blohm & Voss, einem der vielen Rüstungsbetriebe! Elbe hin und Elbe zurück; und er nahm mich mit durch den Elbtunnel, wenn Zahltag war. Und so verdiente der Kunstmahler und Bildhauer Leopold Biermann seinen Lebensunterhalt, für seine kleine Familie als Werftarbeiter. Eines Tages, vor 1939, wurde bei Blohm & Voss ein Neubau eines Kriegsschiffes begonnen. Es sollte das größte Kriegsschiff der Deutschen Marine werden und wurde später auf den Namen „Bismarck“ getauft. Vor dem Stapellauf in Hamburg durften auch die Werftarbeiter das Schiff besichtigen, mein Vater war begeistert und erzählte zu Hause was dort alles gemacht wurde. „Stellt euch vor, die Krankenstation ist so konstruiert worden, dass die Ärzte auch bei hohem Seegang operieren können. Man hat die ganzen Einrichtungen kardanisch aufgehängt“.
Arbeiten mussten alle, wehe, wer sich drückte! Warum auch? Jeder Arbeitnehmer – sag ich mal! – hatte Chancen, sich zu etablieren. Man konnte wählen. Es gab – egal wo – immer Möglichkeiten, etwas Anderes zu machen; es hatte allerdings irgendwie auch seine Grenzen. Das Land musste leben, jeder musste sich einbringen, egal was er gern tat oder nicht, denn er wurde möglicherweise entsprechend unterstützt. Nun ist ja bekanntlich nicht alles Gold was glänzt.
Wer seine Heimat verlassen muss, der hat auch mal Probleme. Es war nicht zu übersehen, dass mein Vater auf der Werft vorerst mal lieber mit Leuten zu tun hatte, die französisch oder belgisch sprachen, da er etwas Probleme mit der deutschen Sprache hatte und auch seine Art und Weise die Sprache zu benutzen nicht ablegen wollte. Zu dem war er Holzbildhauer und Porträtmaler; die deutsche Sprache fiel ihm schwer, wie auch seinen Freunden, die ihn „Franzosen-Leo“ nannten. Da es für die Bevölkerung genug zu Essen gab, aber nicht für die „Fremdarbeiter“, legte mein Vater ab und zu einmal belegte Brote an einem bestimmten Ort für die hungernden ab. Dafür besorgten diese ihm Farben und Pinsel unter der Hand, und ich durfte in der Stube zusehen, wenn mein Papi wieder einmal ein wunderschönes Bild malte. Nur berühren durfte ich diese noch nicht, weil die Farben noch nicht trocken waren.
Inzwischen hatte ich einen Bruder, den ich aber nicht anfassen durfte in seinem Stubenroller – und ich durfte auch nicht in der Stube an ihm vorbeigehen, geschweige denn in der Stube zukucken, wenn Mammi ihm die Brust gab. Er war eben „der Prinz“. . . Aber ich musste immer mitgehen in die „WIEGESTUNDE“ gleich schräg um die Ecke. Das war eine staatliche fürsorgliche Einrichtung des „Deutschen Roten Kreuzes“, die Pflege aller Neugeborenen oder noch nicht Schulpflichtigen. Schüler der ersten Klasse und alle danach wurden regelmäßig auf den Schulhöfen getestet und die Eltern bei Unregelmäßigkeiten der Schülergesundheit entsprechend benachrichtigt und hingewiesen wurden.
Wir wohnten ganz oben, also dritter Stock und durften als Kinder überall reinkommen. Unter uns wohnte ein altes Ehepaar, das waren Onkel Klingner und Omi Klingner und mein Bruder und ich durften sie immer besuchen. Weiter unten im Tiefparterre war die Backstube, denn der Hausherr, Onkel Brüggemann, betrieb als Becker einen Brotladen. Zuweilen blieb unser lieber Onkel Brüggemann mitten auf der Treppe zur Backstube stehen und schlief total ein, und sein Körper schwang von vorn nach hinten.
Viele, viele Jahre lang erhielten die Bewohner des Hauses am Morgen eine Portion Brötchen, was sich änderte, als das Mehl und andere Zutaten knapper wurden
Am 20. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler des „Großdeutschen Reiches“ ernannt. Ein übermäßiger Teil der Bevölkerung offenbarte euphorische Begeisterung und konnte den Jubel kaum nachlassen. Die deutsche Welt war plötzlich wie besessen: Man ergatterte – wer ihn noch nicht hatte – unbedingt einen Volksempfänger, und das war auch absolut nicht dumm! Man erfuhr viele, viele Situationen, von denen nicht unbedingt alle was wissen konnten oder auch nicht durften! Das „Reich“ sollte Erfahrungen erkennen und mit offenen Augen die Heimat begreifen. Die gelegentlich Erwachsenen, deren Dasein bereits in das Abseits zu sickern schienen, wurden durch die Volksempfängermöglichkeiten wach und begeistert, sie besuchten die Versammlungen der NSDAP, wurden so agil, dass sie sich auch den Nachbarn zuwendeten. Keiner sollte mehr allein versauern, es gab genug zu tun: z.B. Parkanlagen gärtnerisch verschönen, Siele säubern oder Zäune pinseln oder Ähnliches und vor Allem Schneefegen; man wurde mit den Nachbarn Freund, die sich auch den Anderen zuwendeten, wenn diese Hilfe brauchten, man stritt sich mit den Nachbarn, in den Familien darüber, ob „die neue Version“ (ich sage das mal so dusselig) unseres Landes nach oben flitzte oder untergehen würde. Die (ich sag auch das einfach mal) Unterdrückten, die, die an den Nägeln nagten und sich täglich beim Arbeitsamt melden mussten, witterten frische Brise, wenn ich mich mal so ausdrücken darf.
Eines Tages begriff ich, dass wir einen „Führer“ hatten, der tatsächlich auch einen Geburtstag hatte wie wir. Und, was soll ich sagen, aus fast jedem Fenster, soweit ich kucken konnte, wehte eine große rote Fahne mit einem schwarzen Kreuz auf einem runden weißen Fleck! Die ganze Osterstraße im hamburger Stadtteil Eimsbüttel erschien beiderseits verhängt, nur aus unseren beiden Fenstern flatterte nix! Damit ich aufhörte zu jammern tröstete mein Vater mich damit, dass er morgen für mich auch Fahne kaufen würde; – hie – hie-
Mein Baby-Brüderchen, geboren 1936, in der Zeit der Olympiade in Berlin, musste, wie alle anderen Kinder, mindestens ein Mal im Jahr zur „Wiegestunde“, einer üblichen staatlichen Untersuchung aller Kinder, die bis zum Ende ihrer Schulzeit staatlich verpflichtend war.
Ich blieb zunächst ein ganz unkompliziertes Kind, gehorsam, gelegentlich träumerisch, ohne Ansprüche. Gehorsam war die Zeit der Stunde. Ich kam dann endlich – sechsjährig zur Schule in der „Telemannstraße 10“ im Mädchentrakt dieses riesigen Gebäudes.. Ich hatte große Angst davor, denn ich konnte nicht rechnen, nicht schreiben und auch nicht lesen, ich konnte gar nichts. Und so tippelte ich sehr ängstlich an der Hand meiner Mutter in die Schule. Was wollte man denn von mir? Ich konnte doch noch gar nichts lesen? Mein Herz klopfte rasend. Neben mir saß auch ein kleines angstvolles Mädchen, es hieß „Christel“. Dann kam die Lehrerin in die Klasse, wir mussten uns erheben, und alle grölten: „Guten Morgen Fräulein Stahl!“ Mir blieb die Luft weg. Und dann wurde gesungen, aber ich weiß nicht mehr, war es „Deutschland, Deutschland“ oder „Die Fahne hoch“? Ich wollte sofort wieder nach Hause, konnte es jedoch einfach nicht anpacken, denn ich wusste ja auch gar nicht den Weg – ich war meistens total zu schüchtern und bei Allem, was ich nicht kannte, lief ich weg. Die Erwachsenen nannten mich ja die „Artige“ (weil ich so dusselig naiv war wahrscheinlich und von Nix ne Ahnung hatte). ich selbst hielt mich für unendlich dumm, war voller Angst vor Prügel, mochte nichts von allein anpacken, und wenn ich das tatsächlich mal wagte, dann gab es erst recht Haue. Ich dachte, dass alle Kinder so verhauen werden, weil sie noch nicht so groß sind wie die Erwachsenen. So kam es, dass ich fast nur zu Hause im Kinderzimmer oder hinten im Garten hockte, sofern wir nicht den Tag in der Fruchtallee im Gemüseladen von Omi verbringen mussten.
Meine Klassenkameradin Christel und ich hatten denselben Weg zur Fruchtallee und zum Sandweg, so konnten wir zusammen und ohne Erwachsene mal hier und da ein Bisschen bummeln und uns die neue Welt bekieken.
Aber dann! Die Schule war mein erstes Highlight. Sie war für mich wie eine hell aufgehende Sonne über das Licht und die freiheitliche Weite unserer Straßen und Wege, die ich nun allein betreten durfte, unserer Bäume auf den Wegen und die Freundlichkeiten unserer Nachbarn. Unsere Lehrerin, ein derart nett und freundliches „Fräulein“, war im Nu in meinem Herzen. Ich freute mich wie verrückt auf den nächsten Tag und weinte, wenn es Ferien gab; wenigsten meistens.
Wir lernten tanzend auf Sielgittern, dass es auch Straßenbahnen unter der Erde gab, und wir lachten uns tot, dass die aber „Hochbahn“ heißen sollten. Vier Jahre später war die „Hochbahntrasse“ unter der Erde die letzte Möglichkeit, dem Inferno der Bombardierung auf deren U-Bahngleisen zu entkommen.
Bis dahin aber waren wir unglaublich neugierig über Alles, was wir so zu sehen und zu staunen bekamen.
Da meine Tante Mausi und meine Oma in der Fruchtallee einen Gemüseladen hatten, pendelte meine Mutter zwischen ihrer Wohnung und dem Laden hin und her, was zur Folge hatte, dass auch mein Weg von der Schule täglich zur Fruchtallee führte. Hier im Schoß der Familie durfte ich im Hinterzimmer meine Schulaufgaben machen und beobachten, wie im Laden Obst und Gemüse verkauft wurden. Die Waren kaufte Tante Mausi früh morgens auf dem Großmarkt ein und war immer auf einen Kollegen angewiesen, der ihre Ware in die Fruchtallee brachte, weil sie selber kein Fahrzeug und Führerschein besaß. Nach der Schule, wenn ich im Laden angekommen war, durfte ich oft, mit einem Zettel bewaffnet, die Preise in anderen Läden aufschreiben, denn es gab ja die Preisüberwachung. Ja und noch etwas war Gang und gebe. Abends wurde oft der Rest der Ware, die sich bis zum nächsten Tag nicht mehr hielt, unter den Geschäftsleuten getauscht. Nichts aber auf nichts wurde weggeschmissen, und wenn auch faule Stellen ausgeschnitten wurden, essen ließ sich das immer. Diesen Laden hatte meine Tante Mausi bis zum Großangriff auf Hamburg. Sie hat dann später ihrer Hansestadt den Rücken gekehrt und lebte bis zum Tod in Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Süd-West-Afrika.
Irgendwann auf dem Schulweg nach Hause fiel uns auf, dass auf den Straßenlaternen gelb-rote Schilder als Wegweiser angebracht worden waren. Und wir neugierigen Stümper versuchten, was denn darauf zu lesen war: „Ööö-ffentlicher“??? Was sollte das denn sein? „Ö-ffentlicher? Öffentlicher, nein Öffentlicher steht da. Öffentlicher Luftschutzraum! Was soll das denn sein? fragten wir uns. Sowas gab es hier und da und überall, aber keiner hatte raus, was das sein soll, und so kümmerten wir uns auch nicht weiter darum. Bis auf eines Tages . . .
„Eher will ich Meier heißen, wenn auch nur eine französische Bombe auf eine Deutsche Stadt fällt“, tönte Hermann Göring einmal und dann fiel doch die erste Bombe in Hamburg in der Göbenstraße und viele schaulustige pilgerten an den Unglücksort, um mit eigenen Augen die Wucht einer Bombe anzusehen. Seit diesem Tage blieb für längere Zeit in unserer Schulklasse einer der Plätze frei.
Gelegentlich gab es einen besonders wichtigen Tag, da gab es schulfrei, und in der ganzen Straße gab es kaum ein Fenster, aus dem nicht eine Hakenkreuzfahne wehte. Lediglich unsere beiden Fenster zur Straße blieben unbeflaggt. Dann kam mal wieder der Blockwart zu Besuch, warum wir keine Flagge draußen haben, aber mein Vater hatte stets Ausflüchte von wegen kein Geld oder vergessen, solche winzigen Papierfahnen zu kaufen. Ja, er habe wenig Zeit, er arbeite bei Blohm und Voss im Rüstungsbetrieb und immer im Schichtdienst, und wenn er mit der Barkasse immer erst einmal über die Elbe musste, dann wären die Geschäfte schon zu und morgens noch nicht auf und so weiter und so weiter. Jedenfalls ließ der Blockwart uns irgendwann in Ruhe.
Inzwischen hatten wir auch ein Rundfunkgerät, also so einen sogenannten Volksempfänger. Ich wunderte mich immer, wo die kleinen Leute eigentlich schlafen, die immer aus dem Lautsprecher was erzählten. Das ganze Ding erschien mir wie die Behausung der Liliputaner, und ich wollte immer wissen, wo die denn nun eigentlich schlafen. Ja, das wusste mein Vater natürlich auch nicht. Mit dem massenhaften Verkäufen der Volksempfänger wurde aber auch noch etwas anderes durchgeführt, was erst viel später zum tragen kam. Es wurden dünne grüne Leitungen verlegt. Wo für???
Wir stellten beispielsweise immer öfter fest, dass viele Muttis alleine ausgingen und Männerhosen trugen. Ich fragte meinen Vater, wie das angehen könnte, denn sowas tut man doch nicht? Und Papi sagte: „Das kommt davon, dass viele Papis nun Soldaten sind und eine Uniform anhaben und die Muttis sich keine Kleider mehr kaufen können. Deswegen ziehen sie die Hosen an, die im Kleiderschrank hängen“. Ich spürte aber auch sehr erschrocken, dass Erwachsene weinten: Die Papas wurden nämlich SOLDATEN! „Aber Du bist kein Soldat. Wie kommt das?“-„Das kommt wohl, weil ich kein Gewehr habe?“ Ich hatte schon gehört, dass viele Soldaten in Kasernen leben weil Krieg ist. „Der ist aber nicht bei uns“, sagte meine Mutter energisch, und deswegen sollte ich den Mund halten und meine Schularbeiten machen. Dann sollte ich zum Milchmann und zum Schlachter gehen und holen was aufgeschrieben stand. „Und dann gehst du in den Garten und holst Dein Brüderchen rauf.“
Als Kind verstanden wir nur – wenigstens ich – dass man gehorsam sein musste, täglich Milch trinken, wenn man hingefallen war musste man zum Onkel „Doggda“, und die Hand des jüngeren Bruders durfte draußen nicht losgelassen werden. Jedenfalls war es bei uns so. Um sechs ins Bett und die Eltern gingen dann ins Kino oder radelten an die Elbe.
Langsam begann die Bevölkerung den „Führer“ für seine Strategie zu bewundern, denn nach dem 1. Weltkrieg durfte Deutschland vieles nicht mehr, damit kein Krieg vom deutschen Boden ausgehen kann. Die Zahl der unter Waffen stehenden Soldaten war begrenzt. Deutschland durfte keine Flugzeuge bauen und auch nur Kriegsschiffe bauen, die in der Größe (Tonnage) für die anderen Seemächte keine Gefahr darstellen konnten.
Unter dem „Führer“ wurde vieles einfach umgangen. Das Heer rotierte einfach, ein Teil trug Waffen, wurde dann als Reserve bezeichnet und neue Männer wurden zu Soldaten, die Pilotenausbildung, die späteren Jagdflieger, erhielten eine Ausbildung im Segelfliegen. Mit Abwurftraining für Bomben und die Kriegsmarinen erhielt die „Westentaschenkreuzer“, dazu zählten die Graf Spee, die Deutschland, die in Lützow umgetauft wurde und die Admiral Scheer. Damit einher ging aber auch die Umstellung der Wirtschaft zu einer Kriegsproduktion.
Eines schönen Tages, an ein Jahr kann ich mich nicht mehr erinnern, erhielten die Arbeiter von Blohm & Voss hohen Besuch eines Mannes von der NSDAP. Er sah sich die Arbeitsplätze an, sprach mal mit diesem oder jenem, bis er am Arbeitsplatz meines Vaters stand und sich ansah, welche Arbeit hier verrichtet wurde. Mein Vater stand an einer Maschine, die Bleche abkantete, also an einer bestimmten Stelle knickte. Diese Bleche wurden für den Flugzeugbau gefertigt. Der Mann sagte, dass diese Arbeit auch von einem Fremdarbeiter gemacht werden kann und mein Vater zum Kriegsdienst herangezogen werden kann.
Da die Unterlagen für diese Maschinen nun einmal nicht so perfekt waren, legte mein Vater ein kleines Stück Metall unter eine der Ecken, was zur Folge hatte, dass die Arbeitsprobe eines Anderen nicht so gebogen wurde, wie es nötig war und damit nicht gebraucht werden konnte. Da mein Vater dieses Metallstück unbemerkt entfernen konnte, als er ein Blech kanten sollte und dieses einwandfrei war, erfolgte der Erlass, das mein Vater an diesem Arbeitsplatz bleiben soll, bis der Krieg beendet war.
Die Jugend ist die Zukunft einer Nation, was auch gerade für das „GroßDeutsche-Reich“ seine Gültigkeit hatte. So wurde zur körperlichen Ertüchtigung vieles auf die Beine gestellt. Heute sagt man „Vormilitärische Ausbildung“ dazu. Es wurde der Bund-Deutscher-Mädchen (BDM) und die Hitler-Jugend (HJ) gegründet. Aber es gab auf die Ernte-Einsätze (später Kartoffelferien genannt), die Kinderlandverschickung, sowie die KDF (Kraft durch Freude) Einrichtungen. Nach heutiger Sicht, nur um das Volk bei der Stange zu halten und um die Tatsachen zu verschleiern.
Und es sah so aus, als ob die Kinder im westlichen Landesteil – zwar nicht unbedingt aber doch sicherer – im Osten des Landes leben sollten. Es war kein Zwang, aber viele Eltern ließen ihre Kinder reisen als Kinderlandverschickung in vielen Häusern und Anstalten. Es war zwar berechtigte Angst, auf der anderen Seite konnten die Eltern deswegen jedoch auch entsprechend mehr leisten für die kriegerischen Maßnahmen im Reich und an den Fronten.
Eines Nachts heulte eine Sirene, mit der ich noch gar nichts anfangen konnte. Meine Eltern zogen uns beide an und auf ging’s in die Backstube, die in halbem Erdgeschoß mit Sandsäcken auf den ebenerdigen Fenstern unsere Unterkunft darstellen sollte und wo wir die beiden betagten Bewohner der Etage unter uns erzählten uns Geschichten. Der „Onkel Klinkner“ war einst ein Hohes Tier mit einer Reihe von „Lametta“ auf der Brust, wie mein Vater es immer nannte. Nach einiger Zeit gab’s Entwarnung. Alles war still geblieben, wie so oft in den vielen Nächten, in denen uns Onkel Klinkner so viele lustige Schauergeschichten aus seiner Soldatenzeit erzählt hatte.
Seit der Luftschutzgeschichte MUSSTEN alle Fenster bei Einbruch der Dunkelheit verdunkelt sein. Wenn ich mich nicht sehr irre, waren die papiernen schwarzen Rollos sofort und überall frei zu haben. Ebenso „verdunkelt“ waren alle Autos, die Beleuchtungen waren bis auf einen kleinen Streifen – ein Zentimeter breit – überklebt.
Man hatte meistens einen billigen RUNDFUNKAPPARAT. Aus dem erklärte „Onkel Baldrian“ – seine Stimme war so sanft – uns immer die Lage der Fliegerangriffe, wo und wann wir uns in die Bunker begeben sollten. Deshalb war auch das Radio die ganze Nacht an.
Angesichts dieser „Sendergeschichte“ gab es zwei Alarmberichte: der erste war die Nachricht über die Bomberverbände über dem gesamten Reich und natürlich die Stärke. Das waren immer „die Tommys“, und die kamen meistens von der Deutschen Bucht. Der zweite war – je nach dem – „Achtung Drahtfunk, Achtung Drahtfunk“ (solche Strippe hatten alle Wohnungen!) (Und wieder erklärte uns „Onkel Baldrian“, WO die Bomberverbände auf RICHTUNG flogen und die Flak auf Bereitschaft war.
Noch ´n Gedicht: „Feind hört mit!“ Ein schwarzer Mann mit Hut auf jeder Litfaßsäule. Also halt die Klappe, sonst kommt die Gestapo!
Anmerkung: Hier lag der Grund für die „Grünen Drähte“ – der „Drahtfunk“, welcher nicht über Funkwellen ausgestrahlt wurde und somit nicht von „Feind“ abgehört werden konnte.
Wenn dann inmitten der Nacht die Sirenen heulten und dann wieder Entwarnung ankündigten, liefen mein Bruder und ich in die Kökschenküche im Hochparterre. In der Küche stand immer so ein komischer Teller mit weißem Mehl, oder was weiß ich, was das war, in denen die Kackalatschen sich einfanden und verreckten. Mein Bruder und ich iglischten dann wie auf Eis durch die vielen, vielen hundert Kackalatschen, die in der Nacht unter dem riesigen Küchenherd über die Bodenkacheln krochen. Meistens gab´s dann eine Ohrfeige und einen Klaps zu Bett.
Eine ganz große Angelegenheit war die „PREISÜBERWACHUNG“! Alle Produkte der Warenverkäufe waren im ganzen Land einheitlich zu verkaufen. Und zwar Jahr für Jahr, das war bereits Satz, obwohl als es die Lebensmittelkarten noch nicht gab, und die, die Lebensmittelrationen jedoch später rational durchführten. Erst ab 1942 gab es verschiedene Lebensmittelkarten, nämlich für Säuglinge und stillende Mütter, für Kleinkinder, für Schwerstarbeiter u.a.
Was nun die Kinder, die Jugendlichen betraf, muss ich sagen, dass für UNS sehr viel getan wurde. Es gab die „Krippen“, die vielen Spielplätze mit Aufsicht, wenn die Eltern nicht genug Zeit hatten oder arbeiteten, und ebenso die Plansch- und Schwimmbäder, Turnstunden ohne Elternaufsicht in den Turnhallen und beaufsichtigte Schulklassen zum Zeichnen oder Handarbeiten. Es gab warmes Essen, wenn die Eltern berufstätig waren. Nun will ich nicht sagen, dass die heutigen Eltern lascher sind; um Gotteswillen. Aber, wir hatten damals viel mehr „Aufpasser“ in der freundlichen Nachbarschaft. Wir durften mit essen, in der Wohnung spielen bis Mammi nach Hause kam, oder der Schutzmann brachte uns über die Straße. Klar, es war alles etwas beschaulicher und fußläufiger, die Nachbarn hatten ein Auge auf die Kinder, die Straßen waren beschaulicher mit kleinen Geschäften und so weiter. Wichtig waren die MÖGLICHKEITEN der VOLKSSCHÜLER- und -RINNEN. Nach der vierten Klasse standen uns – sofern unsere Leistungen es zuließen – Oberbau und Gymnasium zu. Das kostete zwar Geld – Gymnasium siebzig Mark pro Monat – jedoch, wenn die Eltern nicht in der Lage waren, den Betrag zu wuppen, dann wurden andere Stellen aktiv; und das bis zum Abitur.
Im Übrigen war der SPORT für die Kinder und Jugendlichen von großer Bedeutung. Alles, was nötig war, kostete – jedenfalls für die arbeitende Bevölkerung – nichts. Es war – ich sag es mal so – alles, was gut und gesund war für die Jugend dringend und wichtig. Es ging nicht darum, wer du bist, es ging darum, was du willst oder möchtest; es war wichtig für deine Zukunft, und du konntest dich in jeder Sparte bemühen soweit es eben für alle machbar war, wenn sie denn wollten. Ich möchte nicht behaupten, dass jedem alle Tore offen waren, aber im Großen und Ganzen – und das war nicht der Fahne zu verdanken – konnte mehr oder weniger jeder, der es wollte, seinen Weg gehen. Natürlich gab es Grenzen: die Nation konnte nicht alles wuppen; aber was sie konnte, das wurde getan. Klar, es wurde möglicherweise irgendwo gemeckert, aber die Disziplin – und das sage ich heutzutage mit Erstaunen – die Disziplin war außerordentlich und vor allem GERECHT! Es tut mir leid, aber wenn ich unser „Heute“ mit damals vergleichen sollte – versucht es gar nicht erst! Man brauchte keine Angst zu haben, als Mädchen im Dunkeln nach Hause zu müssen. Entweder gab es die Jugend, die Anderen halfen, oder es gab die Polizei, dein Freund und Helfer, deine Nachbarn oder wen auch immer.
Was für heutzutage offensichtlich überhaupt nicht interessiert, ist damals eine Hauptsache gewesen: WAS PASSIERT MIT DEN ALTEN???
Niemand – aber wirklich niemand hätte die alten Leute im Stich gelassen! Die Jugend – wie immer sie auch motzig war – hat es niemals zugelassen oder gewagt, eine alte Frau oder eine einen alten Mann im Stich zu lassen, (ich will ja nicht davon reden, dass ein alter Mensch heutzutage sogar vom Kantstein (Straßenbordstein) gestoßen wird) und waren die Bomben noch so krachend – sie haben die Alten niemals im Stich gelassen, und hätten wir und haben wir sie auch geschleift und gebuckelt bewegt, bis sie in Sicherheit waren! Nein! Die Jugend damals: Sie waren auf dem richtigen Weg! WIR waren auf dem richtigen Weg! Ohne Wenn und Aber – aber all das ist im Laufe der Zeit verloren gegangen. Ich will mich nicht zum Heute äußern. Ich kann nur aus meiner Zeit erzählen. Was die Bevölkerung im Ganzen darstellte, möchte ich anmerken, dass die Nachbarschaft in aller Freundlichkeit als große Hilfe wichtig war.
Nicht zu vergessen soll auch die „WINTEWRHILFE“ als eine Ehre erwähnt werden. Wer Bedarf hatte in den kalten Jahreszeiten, der konnte sich Bekleidung oder andere entsprechende Bedürfnisse ohne Bezahlung beschaffen aus einer öffentlichen Sammelstelle.
Der Sommer war immer präsent durch die Möglichkeit der Erwachsenen, – soweit ich davon Kenntnis hatte – betraf die Organisation der arbeitenden Bevölkerung, die Entspannung durch die „KRAFT DURCH FREUDE“ genießen konnten. Auch solche Ausflüge waren unentgeltlich, auch mehrtägig mit der „Wilhelm Gustloff“.
Organisation Kraft durch Freude mit Sitz in Berlin bestand von 1933 bis 1945, wobei die meisten Aktivitäten mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 eingestellt wurden. KdF war eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Leiter der Deutschen Arbeitsfront war Robert Ley. Unter dem Amt für Reisen, Wandern und Urlaub war KdF der größte Reiseveranstalter im „Dritten Reich“. Veranstaltet wurden unter anderem Land- und Seereisen.
Logo des KdF
Die Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront, in der ein Großteil der deutschen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Staatsbeamten organisiert waren, waren zugleich auch Mitglieder von Kraft durch Freude. Sie bezahlten einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von mindestens 0,5 Reichsmark.
Zu den Kreuzfahrschiffen zählten:
- Die Wilhelm Gustloff *(ab 1938),
- Der Deutsche (ab 1935),
- Die Dresden (ab 1934)
- Robert Ley (ab März 1939).
*(Die letzte Fahrt sollte in dem späteren Chaos der Flüchtlinge aus dem Osten – Protektorat Böhmen und Mähren, Sudeten, Masuren, Königsberg usw. – mit der „Gustloff“ Heim ins Reich gebracht werden. Dieses Schiff mit all den Kindern und Müttern ging Ende des ganzen Dramas aus dem Osten auf der Ostsee mit „Mann und Maus“ unter – das mal eben „nebenbei“, bevor ich wieder heule).
Wen kann sowas stören? (Höchsten die Warnhinweise und Richtungsweisen der Straßenlaternen, zu den „Öffentlichen Luftschutzräumen“, die – noch! – niemanden interessierten!) Auch schien sich niemand dafür zu interessieren, was an Bauprojekten in der Stadt überall aus dem Boden gestampft wurde. Und warum? Was waren das denn für Gebäude? Unterirdische Gänge und fensterlose Hochhäuser? Aber vorläufig gab es nun erst mal überall in den Straßen und Häusern die ÖFFENTLICHEN LUFTSCHUTZRÄUME, die es in Wohnhäusern mit Keller als Öffentliche Schutzräume gab, mit denen wir Kinder keine Idee hatten, was das bedeuten sollte. Was wir überhaupt nicht bemerkten, das waren Mengen gewaltiger Gebäudeanlagen überall und ohne Fenster und überall in unserer Stadt, aber es interessierte sich offensichtlich niemand dafür. Es gab auch ähnliche Gewölbe unter Rasenflächen in offenen Straßen. Die rechtzeitigen VERDUNKELUNGEN jeglicher Fenster dienten der Angriffsirritation der Bomberverbände.
Heutzutage ist alles im Supermarkt und es geht oft nicht ohne Auto. Das kann man nun niemandem ankreiden. Und weil man das nicht kann, ist heute ziemlich alles Mist, und man muss selbst sehen, wie man weiterkommt, aber genau dort ist der Hund begraben. Es gibt kein Auge mehr für ein Kind auf der Straße. Es gibt aber auch auf der Straße kein Kind mehr.
Wir, meine Freundin und ich, waren inzwischen zehn Jahre alt. Das hieß auf Deutsch: „Jungmädel“. Papi, ich bin jetzt ein Jungmädel! Was sagst Du dazu? Das hieß für mich: blauer Rock, hellblaue Bluse. Zunächst einmal. Knoten und Abzeichen aufm Ärmel gabs immer erst nach der Vereidigung. Mein Vater war außer sich! Du willst wass?? Hast Du noch alle Tassen im Schrank?? „Ja aber . . . „ – „Nix Aber“! – Wass‘n mit dem los? fragte ich mich. Alle Mädels ab zehn tragen sonne Uniform! „Du aber nicht!!“ „Papi, da kannst Du gar nichts gegen machen! Da schreitet dann nämlich der BDM ein, und gegen den kommst Du nicht an!“ – „Wann soll die sogenannte Vereidigung denn stattfinden?“ – „Gleich nach den Sommerferien!“ –„Na“, meinte mein Vater, „bis dahin läuft noch viel Wasser den Berg runter. Wir werden’s ja sehen – – -„
Im Übrigen hätte ich fast vergessen, was von Anfang an eine Selbstverständlichkeit darstellte, nämlich das PFLICHTJAHR nach dem Schulabgang, das hieß das Anpacken der Jugendlichen – ich sag mal – hauptsächlich in der Landwirtschaft zwar ohne Gehalt, jedoch mit entsprechender Verköstigung.
Als das Volk allmählich die kriegerischen Drohungen immer stärker kapierten, wurde unseren Eltern im westlichen Wohnbereich unseres Landes nahegelegt, die Kinder im Westen des Staates ein halbes Jahr in die „KINDERLANDVERSCHICKUNG“ zu schicken, da die östlichen Gaue und Protektorate nicht vom Feind erfasst werden konnten. (Mir wurde die Freude in den Osten nicht zu teil, meine Eltern wollten es nicht)
Auch wir Kinder bekamen Aufgaben, indem wir die Klingelknöpfe drückten und nach „Altmaterial“ fragten: „Lumpen, Falschen, Eisen und Papier, ausgehauene Zähne sammeln wir – – „! Das mussten wir dann in der Schule abgeben, die dann Preise bekam je nach Fleiß der Schüler. Wir standen bei Sirene und Flakalarm in der Bunkerschleuse an der Treppe zur Tiefetage um die Kinderwagen und Karren eilig mit nach unten anzupacken. Das war sozusagen unsere „Kriegshilfe“, damit die Pappis an der Front in Ruhe die Bösen in Russland vertreiben konnten. Dazu wollten wir aber auch unbedingt unsere blauen Klamotten anziehen, wenngleich wir noch nicht vereidigt waren. Aber dazu kam es nicht mehr.
Die Angst um den Ausgang der Kriegssituation machte viele Menschen total verrückt. Mein Papi nahm seine Pfeife aus dem Mund und erklärte mir, dass er, wenn der Krieg zu Ende sei, mir einen Roller schenken würde. Mit offenem Mund und wirren Augen kletterte ich auf seinen Schoß – „Aber Papi?! Wenn der Krieg zu Ende ist, sind wir doch alle tot!“ – „Nein mein Kind: lass Dir das nicht aufschwätzen! Wenn der Krieg zu Ende ist wirst du sehen, wir schön die Welt ist.“ – „Aber Omis Laden ist doch schon kaputt, und sie wohnt jetzt bei Onkel Hermann? Und sie kann nichts mehr verkaufen! Und Tante Mausi kann ihr auch nicht helfen! Denn sie ist jetzt auch ein Soldat und kann Omi auch nicht helfen!“ „Mein Kleines: mach Dir keine Sorgen! Es kann alles noch etwas dauern, aber niemand tut Dir weh. Geh zur Schule, sei artig und lerne, was eure Lehrerin euch beibringt, und dann hast Du und Deine Freundinnen eine hervorragende Zukunft!“ – Ich ging ins Kinderzimmer, drückte meine Puppe an meine Brust und dachte: Was meinen die Großen eigentlich alle? Das kann nicht schön werden! Der Papa von Iris ist „gefallen“! Was heißt das? Das heißt: er ist tot! Also! Gefallen heißt TOT! Sie hat keinen Papa mehr!
Im Juli 1943 hörten wir plötzlich den infernalischen Krach vom stoppschwarzen Himmel, das Gedröhn der hunderten von Fliegern und das unaufhörliche Geballer der Flak! Um halb eins in der Nacht sahen wir die vielen, vielen Scheinwerfer über den Himmel streichen, kreuz und quer und manchmal hatten sie einen silber blitzenden Flieger im Visier. Wir sahen die vielen, vielen „Tannenbäume“ am Himmel wie verzaubert, sowas wie hunderte von Kristallleuchtern, die in unendlich vielen wunderschön glitzernden Farben als Orientierung wie überirdische Diamanten auf die Erde niederprasselten. Es war wie eine tönende Orgel, die alle Register zog.
Wir waren starr, konnten uns nicht vom Fleck bewegen zitternd vor Angst. Und dann flitzten wir in unsere Hausschuhe und im Pyjama die Treppen runter. Oma Klingner stand ebenfalls starr im Treppenhaus in ihrem Morgenmantel. „Schnell Omi Klingner, schnell, schnell! Hak Dich ein bei mir, wir müssen laufen! Komm, komm, komm! Wir müssen in den Bunker!“ Sie starrte mich nur an. „Lauf, Kind, lauf!“ rief sie zitternd, „ich bleib hier – ich kann das nicht.“ Da packte ich sie am Arm und zog sie, so gut ich konnte. Der Weg zum Bunker schien immer länger zu werden und als wir die Hälfte der Straße um die Ecke, etwa 400 Meter oder viel mehr, ich wusste es auch nicht und zitterte genauso wie Omi Klingner, und da wollte sie einfach stehen bleiben und faselte was vom lieben Gott und ich sollte allein weglaufen. „Komm, komm, komm“ schrie ich und ließ sie nicht los, denn Mauerteile der rechten Häuserzeilen lagen bereits brennend auf der Straße, Granatsplitter, Fensterglas knirschten unter unseren Hausschuhen und Omi Klingners Pantoffeln, es regnete Splitter von den unaufhaltsamen schiessenden Abwehrkanonen und Flaks bis wir endlich schlotternd in der Bunkerschleuse von Helfern in die Sicherheit gebracht wurden. Ich suchte im Bunker nach meiner Mutter und meinem Bruder und fand sie eng und bleich im dritten Geschoss. Das Getöse der Schlacht über uns röhrte durch die Luftschleusen, aber nach und nach ließ das Zittern nach, es war das erste Bombergeschwader – dachten wir. Immerhin, wir fühlten uns jetzt einigermaßen in Sicherheit, wenngleich einige Bomben auch den Bunker trafen, der sich lediglich ganz kurz schüttelte. Als ich wieder zu mir gekommen war, fragte ich plötzlich erschrocken, wo denn mein Papi sei? „Papi“, so hauchte Mammi, „der ist mit anderen Papis draußen und passt auf, dass unsere Zuhause nicht kaputt gehen!“ – „Aber Mammi! Das ist doch schon alles kaputt! Wir sind doch schon über Steine und Scherben und Alles gelaufen! Da warst Du doch schon längst hier im Bunker mit meinem Bruder!“ – „Ja, ja, und nun sei still! Leg Dich auf die Bank hier und versuch zu schlafen.“ Das war schon immer so: Tu dies und tu das und halt jetzt endlich den Mund.
Aber einmal, das werde ich nie mehr los, wollte ich gerade etwas Proviant von Zuhause holen, weil wir ja nun meistens im Bunker wohnten, und ich war beauftragt, was zu Essen holen aus unserer demolierten kleinen Küche. Zwei Schritte vor dem Eingang raste ein Tiefflieger mit britischer Kokarde – das Ding war ja sowas von groß! Es war gar kein Himmel mehr zu sehen – ich hätte ihn fast berühren können, über meinen Kopf hinweg – ich konnte seine Beine sehen und den rechten Stiefel – und dann schlug er auf den Trümmerberg zwei Straßen weiter auf. – Also so kann`s auch mal gehen, und Du hast das Herz in der Hose, aber das war auch alles; einer meiner kleinen Cousins hat mit seinen Kumpels mit einer blinden Granate gespielt und eine deftige Narbe davongetragen bis heute. Das war’s denn aber auch schon.
Um zehn Uhr am Morgen – Omi Klingner wurde inzwischen von zwei Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes liebevoll versorgt – um zehn Uhr also nahm meine Mutter uns bei der Hand und steuerte den Ausgang des Bunkers an. Ich spürte den ungewöhnlichen Druck um meine Hand als sie sagte: „Jetzt müsst Ihr ganz tapfer sein!“, und ihr liefen die Tränen übers ganze Gesicht, als sie uns durch die Gasschleuse zum Bunkerausgang führte und ganz fürchterlich weinte. Was ich sah – – – ich begann zu schlucken, meine Augen wurden nass, als wollte ich nicht sehen, was ich sah: Die ganze gegenüber liegende Häuserreihe war platt, die Fassaden lagen zerbrochen auf der Straße der Henriettenstraße, es gab keinen Gehweg mehr und der Himmel war schwarz von Rauch und die Feuer der aus brennden Häuser waren immer noch aktiv. Vorsichtig bewegten wir uns zur Ecke „Schulweg“ und auch dort war alles in Dutt und dann bogen wir in unsere Straße ein. Die Villen auf unserer Straßenseite waren fast eine nach der anderen ausgebrannt und abgebrannt. Den jeweiligen Hausrat hatten die Männer, also all unsere Papis, die zusehen mussten, wie das Feuer weiter und weiter brannte, auf den gegenüber liegenden Fußweg geschafft. Löschen konnte man nicht, denn auch die Wasserleitungen funktionierten nicht mehr, und womit hätte man denn auch löschen sollen ohne Schläuche, ohne Wasserbehälter. Und überhaupt! Wer sollte sich in die einstürzenden Mauern begeben!? Sie hatten sowieso bereits total gerötete Augen und keinen Schwung mehr, heiße Luft in den Bronchien und total kaputt von der Räumung all dieser Einzelhäuser.
Unser Nachbarhaus brannte bereits im Obergeschoss, und die Nachbarn hatten mit Alle Mann auch unsere Wohnungen ausgeräumt und auf der anderen Straßenseite platziert. Da kam so unverhofft und wie gerufen ein Onkel von uns, Onkel Hermann, und der war Maurer, wollte zu Oma und Tante Mausi in der Fruchtallee, die den Gemüseladen hatten. Er kam aber nicht durch die Emilienstraße, denn dort brannten beide Straßenseiten und der Qualm hatte einen Feuertunnel geschaffen. Also kam Onkel Hermann zu uns in die Osterstraße, sah sich die Bescherung an und stellte fest, dass unser und das Nachbarhaus je eine Brandmauer hatten und man dort das Feuer zum Erlöschen bringen könnte. Da waren dann auch wieder alle Hände unserer Nachbarn dabei.
Nun könnte man sich ja Gedanken machen, wie diese nachbarlichen Kerle, die die ganze Nacht Haus für Haus niederbrennend geleert haben, verdammt noch mal was zu futtern brauchten. Tja, was ich da erlebt habe, das glaubt man nun heutzutage überhaupt nicht mehr, wie das Ding funktionierte! Es funktionierte!! Und wie es funktionierte!!! Menschenskind, das glaubt heute keiner! Ich wette drum! Und ich gewinne!! Das war nämlich so: An der Ecke der gegenüberliegenden Straßenseite, die soweit heil geblieben war, hat man einen großen, langen Tisch aufgestellt, und an dem Tisch standen eine Menge Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes, die Brote schmierten mit allen möglichen Dingen: Butter, Wurst und Käse, Honig und Marmelade, es war wie aus einem Märchen, und Du konntest Dir holen so viel Du tragen konntest. Es fragte niemand, für welche Person oder welche Familie. Du kamst und bekamst! Und was Du noch bekamst, das war ein weißer Emailleeimer, in dem konntest Du kühle frische Milch bekommen so viel Du wolltest! Und es wurde niemals irgendwas alle. Sie hatten alles feil: Babynahrung, Obst, Bonbons, sie schmierten belegte Brote ohne Pause, ohne Pause, sie wechselten sich ab, waren immer zur Stelle. Und das Ganze war innerhalb von höchstens acht Stunden installiert! Ich wüsste nicht, ob heutzutage in irgendeinem Land oder irgendeiner Katastrophe wo auch immer auf der Welt, wie reich oder wie arm, eine solche Organisation stattfinden könnte! Und das war natürlich nicht nur an unserer Kreuzungsecke! Nein, sowas gab‘s in der gesamten Hansestadt! Und sowas wird es auf der ganzen Welt nie wieder geben! Nie, nie wieder!
Es war egal, wer da kam und wer da was mitnahm für diejenigen, die die ganze Nacht so viel geleistet hatten, egal, wem die Habe gehörte, Hauptsache, sie war gerettet und der Eigner lebte noch!
Das Problem war, dass es keine Sirenen mehr gab auf den Dächern. So wurden wir zu Horchern in der Nacht und Wecker bei Alarm. Und weil das so umständlich und langatmig war, schliefen wir, Mütter und Kinder, wochenlang in den Bunkern. Die Wohnung verließ man eben einfach SO! Denn: „WER PLÜNDERT ODER STIELT WIRD ERSCHOSSEN!“ Das war die Devise.
Und seit dem Tag wussten auch wir Kinder, WAS KRIEG IST, und wir verstanden auch, warum die Pappis, wenn sie denn zurückkamen im Urlaub, als ein Soldat nach Hause kamen und warum die Mammies, wenn der Pappi nicht kam, ein schwarzes Kleid anhatten.
Der Angriff auf Hamburg (Operation Gomorrha) dauerte vom 24. Juli bis 3 August 1943 und kostete mehr als 40.000 Hamburgern das Leben.
Der Brand des
Hamburger Michel.
Gemalt von
Leopold Biermann
Aber erst einmal war der Krieg ja noch nicht zu Ende! Der „Tommy“ stand südlich der Elbe vor unserem Hamburg! Was – in Gottes Namen – würde jetzt passieren? Wir hatten auf unserer Straße auf Veranlassung, irgend eines Menschen mit Hakenkreuznadel am Revers, quer über die Osterstraße Barrikaden schaufeln lassen, in der Hoffnung den Feind zu behindern? Vor unserem Haus?? „Was wird jetzt?“ Haben wir die Front nun schon direkt vor unserer Tür, oder sollte es doch noch ein paar Tage dauern?. Dann kam die Parole: „Haus nicht verlassen, sonst wird geschossen! Alle Fenster zu, Gardinen zu und weg vom Fenster! Und „Volksempfänger“ an!!
Die Bevölkerung hatte totales Hausverbot und durfte die Fenster zur Straße nicht öffnen. Das alles mussten wir wissen, deshalb durfte der „Volksempfänger“ (das Radio) nicht abgeschaltet werden, damit wir die Befehle des Britischen Militärs nicht verpassten (als hätten wir alle Englisch verstanden!). Wir Gören luscherten durch die Spalten der Gardinen, um den „Tommy“ zu sehen, aber in unserem Kiez war alles mucksmäuschenstill. Nur mein kleiner Bruder wickelte sich unter die Schürze meiner Mutter wie immer, wenn er quarkte, „warum wir nicht in den Bunker gingen, denn da konnte man wenigstens toben, und alle Freunde waren auch immer da!“
Tags darauf sprach unser verehrter Gauleiter Karl Kaufmann über den Rundfunk „seine Hamburger“ an, dass er nach langem Ringen mit den Engländern auf der anderen Seite der Elbe unsere „Hansestadt Hamburg“ waffenlos übergeben hätte. Unser Karl Kaufmann verabschiedete sich von uns in einer Weise, die zu Herzen ging und die man auch nicht vergisst.
Die Kapitulation der Hansestadt Hamburg
1. Mai 1945
Allerdings verzögert sich zunächst die Abreise von Bürgermeister a.D. Burchard-Moritz, Andrae und Link noch, weil man erst die Rückkehr Stabsarzt Burchard und Leutnant von Laun abwarten will. Die beiden treffen gegen 15 Uhr in der Rothenbaumchaussee ein und überbringen Wolz die mündliche Botschaft, er solle innerhalb von 24 Stunden einen Parlamentär schicken. Zugleich verpflichten die Engländer sich zu einer 24-stündigen Waffenruhe.
In Hamburg aber stehen die Zeichen längst auf Kapitulation. Gauleiter Kaufmann lädt für 17 Uhr die wichtigsten Führungskräfte, darunter Kampfkommandant Wolz, zu einer Lagebesprechung ein. Er erklärt, dass er für den 2. oder 3. Mai mit dem Einmarsch der Engländer in Hamburg rechne. In der Runde geht es von diesem Zeitpunkt an nur noch darum, wie man die von Dönitz befohlene Verteidigung Hamburgs, die große zivile Verluste erwarten lässt, verhindern kann.
3. Mai 1945
Gegen 15.45 Uhr ist es endlich soweit und die englischen Truppen werden in Marschbereitschaft versetzt. Um 16.13 Uhr ertönt das Codewort „Baltic“ – der Befehl zum Einmarsch. In drei Marschsäulen – aus Richtung Buxtehude, von Nenndorf über Tötensen und aus Richtung Hittfeld – setzen die Panzer der 7. Britischen Panzerdivision sich in Bewegung und nähern sich der Hansestadt.
Nach der Kapitulation veränderte sich das Leben von selbst: Keine Sirenen heulten mehr, keine Kampfgeschwader mit Bombenlasten, alles blieb so still, Trümmer blieben unberührt liegen, die Straßen leer, die Menschen mussten in den Häuser bleiben, Fenster schließen und verhängen, Ausgehverbot. Sonst wird geschossen!
Von der stolzen Hansestadt war nicht einmal die Hälfte geblieben; das ist aber nicht ganz wirklich so zu verstehen: der Schutt, die zerstörten Gebäude, die vielen Leichen in den brennenden Phosphorgewässern im östlichen Stadtgebiet, die zerstörten Glockentürme und die Toten unter den Trümmern: Sie alle sind noch da! Nur nicht mehr so wie vorher!
Aber ein Moment ist nicht immer änderbar – er bleibt in den Herzen derer, die ihn wahrnehmen mussten.
Es dauerte ein paar Tage, bis der „Tommy“ in der ganzen Stadt zu sehen war, und die Hamburger durften auch wieder auf die Straße. Die Innenstadt – so ab Dammtorbahnhof – war zu einer Promenade geworden: „Girls, Girls, Girls – eingehakt, mit großen Augen“, aber die „G.I.s“ durften nicht palavern mit den Mädchen. Dauerte aber nicht lange, und in keinem Gebüsch war noch Platz. „Cadbury“ und „Chesterfield“ für Groß und Klein, Soldaten befreundeten sich mit Familien und jeder wollte die Sprache des anderen erlernen. Als die britischen Besatzungstruppen sich in Hamburg breit machten, linsten überall in der City die „Frauleins“ an, und die „Frauleins“ fragten artig „are you British?“ Es war eine nie erwartet turbulente Zeit, in der von allen Seiten die Menschlichkeit erwacht war.
Nun darf man sich allerdings nicht vorstellen, dass die Zeiten und die Richtungen so ehrlich positiv und freudig weiter gingen. Wir begriffen schnell, was „Military“ bedeutete und dass man besser barfuß „flitzen“ kann, als mit den selbst geschusterten Holzgaloschen, und dass wir von den Lebensmittelkarten nicht wirklich leben konnten.
So. Und nu? Naja, Nu is Nu! Was noch? Keine Ahnung. Oh! Doch! Es gab keine Schule mehr! Die waren doch auch in Dutt!? Sowas Blödes!? Und ich ging so gern zur Schule! Aber es gab keine. Wieso keine? Na, vor allen Dingen gab es nicht mehr alle Schüler oder Schülerinnen, auch viele Teile der Lehrerschaft waren über alle Berge. Also: Entweder es gab sie gar nicht mehr, oder aber sie waren alle aus der Stadt geflohen (naja, eben nicht alle). Was soll ich sagen? Wie dem auch sei, es gab einfach keinen Unterricht mehr! Wo denn? Keine Schule, da hausten doch die Ausgebombten, die noch davongekommen waren? Keine Lehrer!
Also: Keine Schulen, keine Jobs, alles war ja kaputt, die Papis, die noch in der Rüstungsindustrie ihre Maschinenhallen Blohm & Voss und sonstige Werften vom Schutt befreiten und zerbombte Schiffswracks aus dem Schlick der Elbe hüsern mussten. Da war viel weiter Himmel über den Ruinen, in denen man seinen Mut und seine Kraft ausprobieren konnte.
Bild Leopold Biermann
Aber einmal, da hatten wir alle so unsere „Kommandostände“ auf den Trümmerbergen, wir Kinder, die wir noch in Hamburg ein irgendwie brauchbares Zuhause hatten, kam doch tatsächlich in gekonntem Tiefflug ein Engländer mit knatternden Raddaddadda-Schüssen über uns gesaust, dass uns Hören und Sehen verging. So schnell er kam war er auch wieder weg!
Das hieß aber doch noch was: Steine kloppen! Der Mörtel der Ziegelsteine, aus dem fast alle Hamburger zerbombten Wohngebäude bestanden, mussten abgekloppt werden, also vom Mörtel befreit, damit sie zum Wiederaufbau verwendet werden konnten. Das machten all unsere Mammis, die in dem zerstörten Hamburg noch in ihren Wohnungen hausen konnten. Die übrigen Schuttberge aus den vielen zerstörten Bezirken wurden später in die Binnenalster, also vom Ballindamm gekippt, auf dem sich heute die Edelpromenade befindet und die Schickeria lustwandelt oder an das Ufer der Elbe, sowie in viele der heute nicht mehr vorhandenen Fleete, auf denen die Autos durch die Stadtteile eilen. Was da drunter liegt, das wissen nur wir noch.
Bald hatten die stark veränderten Situationen unseres Daseins sich assimiliert. Wir hatten gemerkt, dass Vieles sich verändert hatte und Insbesondere, dass der Hunger in die Städte floss wie ein Wasserfall. Der Mangel an Kohle und Brot war der Griff an Erbetteltes und Erworbenes. Wer noch irgendetwas besaß, was er veräußern konnte verscheuerte er auf den Schwarzmärkten oder bettelte bei den Bauern. Porzellan, Kinderspielzeug, Schmuck und anderes Wertvolles wanderte zu den Bauern und wurde essbares eingetaucht. Irgendwann gab es aber nichts mehr zum Tauschen oder es war so und so nichts vorhanden, was man Tauschen konnte, dann ging Man eben betteln. Diese Betteln nannten wir „Hamstern“. Täglich fuhren ganze Züge übervoll mit Menschen aufs Land hinaus, damit bei den Bauern gebettelt werden konnte. Meine Cousine und ich, waren fast täglich in Norddeutschland unterwegs um bei den Bauern um eine Scheibe Brot zu erbetteln – oft waren es mehrere die wir redlich teilten damit unsere Familien zum Abend was zu essen hatten. (Die Stullen mit Quark(Käsbutter) aßen wir unterwegs selbst, weil sie bis zu Hause matschig waren – nicht lachen!). Eines tages, wir suchten uns immer Gegenden aus, in denen wenig gebettelt wurde, nahm uns ein Pritschen LKW von der Kieler Straße bis Barmstedt auf der Ladefläche mit. Hier begann unsere Suche nach einem geeigneten Bauernhof. In der Ferne erblickten wir einen Hof und gingen über Feld und Stein dorthin. Schon von weitem hörten wir das Gebelle eines Wachhundes, der uns schon bemerkt hatte und wie oft üblich an einer Laufleine den Hof bewachte. Das stellte für uns aber kein Problem dar, denn wir waren ja zu zweit. Einer lockte den Hund an das eine Ende der Laufleine und der Andere klopfte an die Küchentür des Bauern, der völlig überrascht war. Die Ausbeute war auch dem entsprechend. Wir teilten wie immer und jetzt hieß es das gehamsterte sicher nach Hause zu bringen. Wir machten uns nun trotz der vorgeschrittenen Zeit auf den Weg nach Barmstedt, um wie auf den Hinweg eine Mitfahrmöglichkeit zu ergattern. An die Sperrstunde hatten wir dabei aber nicht gedacht und so standen wir bald Mutterseelen allein auf der Straße, wo die Anwohner riefen: „Macht das ihr nach Hause kommt. Es ist Sperrstunden“. Ein Überschreiten der Sperrstunde kann unangenehme Folgen haben, aber wer vergreift sich schon an Kindern?
Es dauerte auch nicht lange bis aus der Ferne das näherkommen mehrerer Fahrzeuge zu hören war. Mutig oder dumm wie wir waren, stellten wir uns mitten auf die Straße und wollten mit ausgebreiteten Armen die Fahrzeuge aufhalten. Groß war unser Erstaunen, als eine Kolonne britischer Militärfahrzeuge anhielten, eine Tür aufging und jemand etwas fragte, was wir aber nicht verstanden. Artig fragte ich: „Fohr ju nach Hamburg?“, und ein lächelndes Gesicht antwortete: „Komm in“. Die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung und brachte uns – mit viel hier rechts oder links – bis in die Osterstraße, wo die Eltern schon sehnsüchtig auf uns Kinder warteten. Für Inge und für mich waren all diese Tage ein Abenteuer!
Und dann kam der Winter 1946!
Der Winter sechsundvierzig mit seiner unbarmherzigen, grausigen Kälte. Es gab weder Kohle oder Briketts, das Wasser war auch eingefroren sowohl draußen, wie auch in den Behausungen, alle Leitungen, die es noch gab, platzten eine nach der anderen. Man trug das bisschen Habe, die man aus der Zerstörung gerettet hatte, hängenden Kopfes zurück in den Bunker. Es war dort absolut nicht gemütlich, aber ein paar Grad wärmer als draußen.
Es waren etliche Wochen, die wir Jugendlichen, die eigentlich noch Kinder waren, bis nachts um drei an den Gleisen, mit vor Kälte erstarrten Körpern standen, bis der erwartete Kohlenzug, wie jede Nacht an bestimmter Stelle anhalten musste. An den Hängen der Bahngleise lagen oder Standen hunderte von Menschen die das Gleiche Ziel hatten. Jeder wollte etwas Kohle ergattern, damit zu Hause wenigstens in einem Raum etwas Wärme war. Es war nun nicht so, dass dieses Kohle beschaffen erlaubt war oder die Züge beim Halten keine Wächter hatten, es war eigentlich Diebstahl am Volkseigentum. Aber wenn schert das schon, wenn zu Hause die Bude bitter kalt ist und schon genug Menschen der Kälte zum Opfer gefallen sind. Nun wurden eigentlich nur die Züge mit Lebensmitteln bewacht, um die Kohle kümmerte sich fast kein Wachmann. Wir, meine Cousine und ich kümmerten uns wenig um das Gehabe der Erwachsenen und wenn es Inge zu bunt wurde sagte sie nur: „Gef die“, und war dann schon auf dem Weg zum Tender oder Wagon, um dort nach Kohle zu suchen. Hatten wir Glück, war es Rohkohle, die Tat nicht so weh im Nacken. Die schweren Säcke hoben wir uns gegenseitig ins Genick. Von den Gleisen wo die Bahn immer stehen bleiben musste bis nach Haus waren es fast acht Kilometer und es gab wenig Stellen um für einen Moment auszuruhen, aber irgendwann waren wir zu Hause. Das war meistens so gegen fünf Uhr, und Inge schlief dann mit in meinem Bett. Mein Vater war bereits gestiefelt und gespornt. Aber bevor er uns nicht in die Arme nehmen konnte, eilte er rüber nach Steinwerder zu Blohm & Voss. Eine von den Barkassen erwischte er immer.
Von Zeit zu Zeit mussten auch wir und an unserer Schule oder was davon noch vorhanden war einfinden, damit festgestellt werden konnte, wer bis dahin den Krieg überlebt hatte. Und oft standen wir da mit kohleumrandeten Augen, weil wir gerade vom Kohlehamstern (Klauen) zurück waren.
„Kinder, ihr dürft keine Kohle klauen“, und später hieß es dann: „Könnt ihr mir nicht auch etwas Kohle mitbringen?“
Es waren harte Tage im Frühjahr und harte Tage im Winter an den Zughaltestellen in den Nächten. Aber die elenden Situationen der damaligen Zeiten haben uns hart gemacht und stark gegen jedes Elend, das wir wuppen mussten. Die Schrammen der Zeiten haben wir tapfer überlebt; also was fragen wir uns heute beim Gruß: „Na?? Mach‘s noch Fett??“!
Nun denke ich – wieso komme ich eigentlich gerade jetzt darauf?? – an das große Drama der Flüchtlingsströme aus dem Osten, an die unglaublich glücklichen Überlebenden in den großen fast total zerbombten Städte unseres Landes, die von jetzt auf nun zusehen mussten, wo abbleiben. Und ich weiß noch wie gestern, dass nah den Zerstörungen in schuttfreien Straßen, in Parks und Sportplätzen in unglaublicher Sofortheit tausende von NISSENHÜTTEN aufgestellt wurden, in denen die ausgebombten Familien Unterschlupf fanden! Sie „wohnten“ in diesen WELLBLECH-Baracken mehr als zehn lange Jahre, bis endlich der Wohnungsbau – nunmehr ohne weitere Bombenangriffe! – beginnen konnte.
Das schwöre ich, und das vergesse ich auch nicht! Ich lausiges kleines Mädchen, das viel vergessen hat im Laufe ihres Lebens, „DASS“ aber vergesse ich niemals!
Das nur mal in Kurzform!!
Heutzutage ist es ja so: Der Mensch im allgemeinen ist ja kaum zufrieden zu stellen. Einen laust ja der Affe, was die Jugend alles erwartet. Den Begriff „Bescheidenheit“ können sie kaum buchstabieren (naja).
Nun ist unser langes Leben allerdings im HEUTZUTAGE angekommen. Und dass Vieles heute anders bewertet wird, ist uns auch schon aufgefallen. Man staunt, was die Regierung alles bewegen KANN; für viel Geld.
Deutschland nach 1949
Alle verwendeten Texte und Bilder stammen aus Wikipedia
Luftbrückendenkmal in Berlin-Tempelhof, im Volksmund
„Hungerharke“ oder „Hungerkralle“ genannt
Deutschland 1945 – Das „tausendjährige“ Nazi-Reich versank in einem Meer aus Blut und Tränen. Als am 8. Mai die Waffen endlich schwiegen, waren mehr als 60 Millionen Menschen tot. Gefallen an der Front, ermordet in Konzentrationslagern, verbrannt in Bombennächten, gestorben an Hunger, Kälte und Gewalt auf der großen Flucht. Als die Welt erfuhr, was in deutschem Namen nicht nur in den Lagern des Regimes geschehen war, kehrte sich der Zorn der Völker gegen Hitlers ganzes Volk.
Während Berlin im Straßenkampf unterging und zehntausende Menschen den Kampf bis zum bitteren Ende mit ihrem Leben bezahlten, entzog sich Reichskanzler Adolf Hitler am 30. April 1945 der Verantwortung durch Selbstmord – wie er angekündigt hatte. Zu seinem Nachfolger bestimmte er Großadmiral Karl Dönitz. Dönitz beauftragte Generaloberst Alfred Jodl, der Verantwortliche für die Kriegführung von Norwegen bis Nordafrika, die Kapitulationsverhandlungen im amerikanischen Hauptquartier in Reims zu führen. Jodl versuchte noch, die Kapitulation gegenüber der roten Armee hinauszuzögern, um den Deutschen in den Ostgebieten die Flucht nach Westen zu ermöglichen, allerdings ohne Erfolg.
Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, die zum Ende der militärischen Feindseligkeiten der Alliierten gegen das nationalsozialistische Deutsche Reich führte, wurde nach erfolglosen Verhandlungsversuchen der deutschen Seite vom 6. Mai in der Nacht zum 7. Mai 1945 im Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte in Reims unterzeichnet und trat am 8. Mai um 23:01 Uhr MEZ in Kraft. Die Kapitulationserklärung wurde aus protokollarischen Gründen in Berlin am 8./9. Mai wiederholt.
Generaloberst Jodl unterzeichnete am 7. Mai 1945 in Reims im Hauptquartier von General Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa, die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs. Sie trat am 8. Mai 1945 um 23 Uhr in Kraft.
KAPITULATIONSERKLÄRUNG
Wir, die hier Unterzeichneten, handelnd in Vollmacht für und im Namen des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, erklären hiermit die bedingungslose Kapitulation aller am gegenwaertigen Zeitpunkt unter deutschem Befehl stehenden oder von Deutschland beherrschten Streitkräfte auf dem Lande, auf der See und in der Luft gleichzeitig gegenueber dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditions-Streitkräfte und dem Oberkommando der Roten Armee
Unterzeichnet zu Berlin am 8. Mai 1945
gez. v. Friedeburg gez. Keitel gez. Stumpff für das Oberkommando der deutschen Wehrmacht
Der sowjetische Diktator Josef Stalin drängte auf eine Wiederholung der Zeremonie im sowjetischen Machtbereich. In der Nacht zum 9. Mai unterschrieb Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der deutschen Wehrmacht, die Kapitulationsurkunde im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst. Nach mehr als fünf Jahren Krieg schwiegen in Europa endlich die Waffen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lag ein Großteil Europas, darunter auch das Gebiet des Großdeutschen Reiches, in Trümmern. Die Alliierten beschlossen eine Politik der Demokratisierung, der Entmilitarisierung und der Entnazifizierung im vormaligen Deutschen Reich. Die Besatzungszonen umfassten das Staatsgebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 ohne die zunächst okkupierten Gebiete ostwärts der Oder-Neiße-Linie – diese standen unter sowjetischer, später hauptsächlich polnischer Verwaltung – und waren durch Zonengrenzen voneinander getrennt. Diese waren in der Regel identisch mit den Verwaltungsgrenzen ehemaliger Länder, vereinzelt auch mit Kreisgrenzen. Dadurch wurde erreicht, dass eine ordnungsgemäße Verwaltung auch weiterhin sichergestellt werden konnte.
Die vier Siegermächte übernahmen mit der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Zusammen mit der militärischen Kapitulation, deren politische Konsequenz sie war, bildete dies die Grundlage für den Viermächte-Status, nach dem die Alliierten bis zur deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 für „Deutschland als Ganzes“ verantwortlich blieben.
Die Bundesrepublik Deutschland entstand nach der Niederlage des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg unter der folgenden Herrschaft der Besatzungsmächte in Nachkriegsdeutschland. Auf Veranlassung der Westalliierten wurde das Gebiet der westlichen Besatzungszonen (Trizone) mit dem Inkrafttreten des vom Parlamentarischen Rat ausgearbeiteten Grundgesetzes am 24. Mai 1949 staatlich neu organisiert. Das Grundgesetz als Verfassung beruht auf föderalen Traditionen und legt eine demokratische, soziale und rechtsstaatliche Republik fest. Das mit der Überwindung der Kriegsfolgen einsetzende Wirtschaftswunder brachte weitgehende Vollbeschäftigung und Einkommenssteigerungen für breite Bevölkerungsschichten, während die NS-Vergangenheit zunächst weitgehend ausgeblendet wurde
Die Sowjetunion hatte bereits drei Monate zuvor die deutschen Ostgebiete mit der Ausnahme von Königsberg und Nord-Ostpreußen (heute Oblast Kaliningrad) zur Verwaltung an die spätere Volksrepublik Polen übertragen. Als Besatzungszone erhielt die Sowjetunion das Gebiet der späteren Deutschen Demokratischen Republik. Das Vereinigte Königreich beanspruchte das Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Die amerikanische Besatzungszone erstreckte sich über Bayern, Hessen, die nördlichen Teile von Württemberg und Baden. Als Hafenstadt kam Bremen mit Bremerhaven unter amerikanische Besatzung.
Frankreich erhielt das spätere Rheinland-Pfalz, die südlichen Teile von Württemberg und Baden und das Saarland als Besatzungszone; dieses wurde erst 1957 ein Land der Bundesrepublik. Die vier Siegermächte teilten die ehemalige Reichshauptstadt Berlin in vier Sektoren auf.
Für ganz Deutschland hatte der Alliierte Kontrollrat mit Sitz in Berlin die höchste Regierungsgewalt inne; zuständig für Groß-Berlin war die dem Kontrollrat unterstellte Alliierte Kommandantur.
Nach dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz im Dezember 1947 wurde der Graben zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion unüberwindlich. In den Monaten Februar und März 1948 fand die Londoner Sechsmächtekonferenz mit den USA, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg statt, die über die Bildung eines westdeutschen Staates und den Brüsseler Pakt, ein Bündnis zur Wahrung westlicher Interessen gegen das Machtstreben der Sowjetunion, diskutierte. Aus Protest gegen die Beschlüsse verließ der sowjetische Gesandte am 20. März den Alliierten Kontrollrat, welcher damit gescheitert war. 1949 regelten die Alliierten entsprechend dem Beschluss der sechs Mächte in London die deutsche Westgrenze gegenüber den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Saargebiet und Frankreich. Einige Grenzgebiete (Elten-, Selfkantgebiet) wurden den Niederlanden angegliedert, im Gegenzug verzichten die Niederlande auf die Umsetzung des Bakker-Schut-Plans.
Der Morgenthau-Plan vom August 1944 war ein vom damaligen US-amerikanischen Finanzminister Henry Morgenthau veranlasster Entwurf zur Umwandlung Deutschlands in einen Agrarstaat nach dem absehbaren Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Das sollte langfristig verhindern, dass Deutschland je wieder einen Angriffskrieg führen könne.
Das Memorandum wurde im August 1944 im US-Finanzministerium erstellt und durch eine Indiskretion am 21. September 1944 in den USA veröffentlicht. US-Präsident Franklin D. Roosevelt verwarf den Entwurf nach einigen Wochen; er gelangte nie in ein konkretes Planungsstadium und war nie zur politischen Realisierung vorgesehen.
Der Marshallplan, offiziell European Recovery Program (kurz ERP) genannt, war ein großes Konjunkturprogramm der Vereinigten Staaten von Amerika, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem an den Folgen des Krieges leidenden Westeuropa und den USA zugutekam. Es bestand teils aus Krediten, vor allem jedoch aus Rohstoffen, Lebensmitteln und Waren.
Das 12,4-Milliarden-Dollar-Programm wurde am 3. April 1948 vom Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedet und am selben Tag von US-Präsident Harry S. Truman in Kraft gesetzt. Es dauerte vier Jahre, bis zum Juni 1952. Im gesamten Zeitraum (1948–1952) leisteten die USA bedürftigen Staaten der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD, Gründungsname OEEC) Hilfen im Wert von insgesamt 13,12 Milliarden Dollar (entspricht heute rund 131 Milliarden Dollar).
Das Programm wurde nach dem US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger des Jahres 1953 George C. Marshall (Amtszeit 1947 bis 1949) benannt, auf dessen Initiative es zurückgeht. Ausgearbeitet wurde es im Außenministerium der Vereinigten Staaten, vor allem von Staatssekretär William L. Clayton und George F. Kennan, dem Leiter des Planungsstabes. Für das Programm gab es drei Gründe:
- Hilfe für die notleidende und teilweise hungernde Bevölkerung Europas
- Eindämmung der Sowjetunion und sowie
- Verhinderung eines wirtschaftlichen Einbruchs mit Auswirkung auf die Absatzmärkte der USA.
( * Anmerkung: bis 1952 gab es eine Schulspeisung, Reihenröntgenuntersuchungen, Kinder- sowie Zahnärzte)
Der Plan wurde ab Mai 1947 entwickelt, um die Konferenzteilnehmer im April 1948 einzuberufen und eine „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa“ (OEEC) zu gründen. Die Sowjetunion und die mittel- und osteuropäischen Staaten wurden ebenfalls zu den Beratungen über die Hilfe der USA eingeladen. Die Sowjetunion zog sich jedoch bald daraus zurück und verbot auch den unter ihrem Einfluss stehenden europäischen Staaten jede Teilnahme.
Das dringendste Problem war der Nahrungsmittelmangel. Vor dem Krieg hatte Westeuropa Nahrungsmittel aus Ost- und Mitteleuropa importiert; diese Quelle war jetzt durch den entstehenden Eisernen Vorhang abgeschnitten. Besonders schlecht war die Situation in Deutschland, wo jeder Bürger 1946/1947 im Durchschnitt nur unzureichende 1800 Kilokalorien pro Tag zu sich nehmen konnte. William Clayton berichtete nach Washington, dass „Millionen von Menschen langsam verhungern“ Ähnlich wichtig für den Niedergang der Wirtschaft war der Mangel an Kohle, der durch den schweren Winter 1946/1947 (in dem hunderte Deutsche erfroren) noch einmal verschärft worden war. Das humanitäre Ziel, diese Notlage zu beenden, war ein Grund für den Marshallplan.
Als am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa beendet war (VE-Day), übernahmen die vier Siegermächte Sowjetunion, USA und Großbritannien sowie Frankreich die Hoheitsgewalt über das Deutsche Reich und teilten sein Gebiet untereinander in Besatzungszonen auf oder gliederten es aus. Dazu wurden die östlichen Gebiete des Deutschen Reiches, abgesehen vom sowjetisch verwalteten Norden Ostpreußens, unter polnische Verwaltung gestellt. Es entstanden neue deutsche Staaten und die Zeit, in der die vier Mächte die wiedererrichtete Republik Österreich und Deutschland besetzt hielten, nennt man daher auch Besatzungszeit. Sie dauerte in Österreich von 1945 bis 1955. In Deutschland bezeichnet der Begriff meist nur die Zeit von 1945 bis 1949, also bis zur Gründung der Bundesrepublik und der DDR, obwohl die Besatzung auch in Westdeutschland erst 1955 mit dem Deutschlandvertrag beendet wurde.
Die Westalliierten stellten die Demontagen zwecks Reparation bald ein (und nahmen auch Abstand vom Morgenthau-Plan); die Sowjetunion dagegen demontierte in ihrer Besatzungszone in großem Umfang und lange. Allerdings verrotteten die meisten Anlagen später ungenutzt in der UdSSR.
1945 wurde das Deutsche Reich besetzt und aufgeteilt. Österreich wurde als besetzter Staat wiedererrichtet; im Herbst 1949 wurden in den übrigen Besatzungszonen, außerhalb der abgetrennten Gebiete, kurz hintereinander zwei neue deutsche Staaten gegründet, wobei die DDR und die Bundesrepublik Deutschland neu organisiert wurden.
Ausgehend von seinem Gebietsstand von 1937 wurde das besetzte Deutschland aufgeteilt. Dies geschah auf Beschluss der Alliierten auf der Konferenz von Jalta (2. bis 11. Februar 1945). Die Ostgebiete (Oder-Neiße-Gebiete), die rund ein Drittel des Staatsgebietes ausmachten, waren von der sowjetischen Roten Armee direkt an die Volksrepublik Polen beziehungsweise an die Russische SFSR als eine der Unionsrepubliken der Sowjetunion zur Verwaltung übergeben worden. Die Russische SFSR verwaltete den heute zu Russland gehörenden, nördlichen Teil Ostpreußens, die restlichen Ostgebiete wurden seit 1945 von Polen verwaltet und gehören heute zu Polen. Die inmitten der sowjetischen Zone gelegene, jedoch nicht zu ihr gehörende frühere Reichshauptstadt Berlin wurde zur koordinierten Verwaltung und Kontrolle Deutschlands in vier Sektoren aufgeteilt, in denen die Oberbefehlshaber der vier Besatzungsmächte ihren Sitz hatten. De facto wurde nach Kriegsende Groß-Berlin rund zwei Monate lang von der Sowjetunion verwaltet, bis die drei Westsektoren von ihr geräumt wurden.
Die verbliebenen zwei Drittel des Staatsgebiets wurden in vier Besatzungszonen aufgeteilt:
- Amerikanische Besatzungszone
- Britische Besatzungszone
- Französische Besatzungszone
- Sowjetische Besatzungszone
Am 5. Juni 1945 übernahmen die Oberbefehlshaber der Vier Mächte (USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion) durch die Berliner Erklärung die oberste Regierungsgewalt über Gesamtdeutschland. Diese lag beim Alliierten Kontrollrat mit Sitz in Berlin. Für Groß-Berlin erfolgte eine gemeinsame Besetzung der Alliierten und die Einrichtung der Alliierten Kommandantur für die Verwaltung des Stadtgebietes, wobei die Stadt selbst ebenfalls in vier Sektoren aufgeteilt wurde, welche jeweils einem alliierten Besatzungsregime unterworfen waren.
Aufgrund der wachsenden Differenzen zwischen der Sowjetunion und den westlichen Siegermächten wurde im September 1946 aus der amerikanischen und britischen Zone die Bizone gebildet und mit Wirkung vom 1. Januar 1947 vollzogen. Mit Beitritt der französischen Besatzungszone mit Ausnahme des Saargebiets im März 1948 entstand die Trizone. Somit waren bis auf das Saarland alle westdeutschen Länder in der Trizone zusammengefasst.
Ein Sonderfall war Berlin, das zu keiner der vier Zonen gehören und von allen vier Besatzungsmächten gemeinsam verwaltet werden sollte, quasi wie eine neutrale fünfte Besatzungszone. Zum Zweck der gemeinsamen Verwaltung wurde es intern in vier Sektoren aufgeteilt. Dieser besondere Status galt von 1945 bis 1955 auch für die österreichische Bundeshauptstadt Wien.
Londoner Protokoll zum besonderen Status Berlins
Im Londoner Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin hatten die Vier Mächte in Punkt 1 festgelegt: Deutschland wird […] zum Zwecke der Besetzung in vier Zonen eingeteilt, von denen je eine einer der vier Mächte zugewiesen wird, und ein besonderes Berliner Gebiet, das der gemeinsamen Besatzungshoheit der vier Mächte unterworfen wird. Dieses „besondere Berliner Gebiet“ sollte gemäß Punkt 2 des Protokolls „gemeinsam von den […] Streitkräften der USA, des UK, der UdSSR und der Französischen Republik besetzt [werden]. Zu diesem Zweck wird das Gebiet von Groß-Berlin in vier Teile eingeteilt“, später „Sektoren“ genannt. Die Stadt lag also nach der bedingungslosen Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkrieges als Vier-Sektoren-Stadt zwar geographisch mitten in der SBZ, sollte aber politisch durch die Alliierte Kommandantur verwaltet werden, die vier Besatzungszonen dagegen durch den Alliierten Kontrollrat, der darüber hinaus im gegenseitigen Einvernehmen Entscheidungen über alle Deutschland als Ganzes betreffenden wesentlichen Fragen traf. Denn völkerrechtlich übte der Kontrollrat die auswärtige Gewalt für „Deutschland innerhalb der Grenzen, wie sie am 31. Dezember 1937 bestanden“, aus
Die Währungsreform von 1948 trat am 20. Juni 1948 in der Trizone, den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands, in Kraft. Ab dem 21. Juni 1948 war dort die Deutsche Mark („DM“, auch „D-Mark“) alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel.
Ebenfalls im März 1948 begann Ludwig Erhard als Chef des „Wirtschaftsrates“ der Bizone seine Karriere in der späteren Bundesrepublik; zur gleichen Zeit wurde die Bank deutscher Länder, Vorgängerin der Bundesbank, gegründet.
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Die beiden bisher gültigen Zahlungsmittel Reichsmark und die (zu ihr fest im Verhältnis 1:1 notierende) Rentenmark (beide abgekürzt als „RM“) wurden zwangsumgetauscht und dabei mehr oder weniger im Nennwert herabgesetzt. Die Währungsreform von 1948 gehört zu den bedeutendsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Die Reform zielte darauf ab, kurzfristig den Geldüberhang zu beseitigen und langfristig die Grundlage für eine funktionsfähige Marktwirtschaft aufzubauen. Dazu gehörten die Einstellung der übermäßigen Geldschöpfung, das Verstärken der Geldfunktionen, die Aufhebung von Güterrationierung, Lohn- und Preisstopps sowie die Einführung fester Wechselkurse. Das Bankwesen sollte gestärkt werden durch eine unabhängige Zentralbank und ein funktionierendes Geschäftsbankensystem.
In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bestand aus den gleichen Gründen wie in den Westzonen Bedarf an einer Währungsreform. Sie wurde daher auch spätestens seit 1947 in der SBZ politisch und in den Medien diskutiert und unabhängig von den Westzonen vorbereitet. Mitte Juni 1948 waren die Vorbereitungen in der SBZ aber noch nicht abgeschlossen. So waren bis dahin im Gegensatz zur Trizone weder die nötigen Rechtsnormen verfasst noch beispielsweise neue Noten und Münzen hergestellt worden.
In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 23. Juni 1948 äußerte Karl Maron (SED), West-Berlin sei „Brückenkopf im Kampf gegen die Demokratie“ und wies darauf hin, „die Sparguthaben der Berliner Bevölkerung und die Gelder der Sozialversicherung liegen im sowjetischen Sektor Berlins. Wir werden niemals unsere Zustimmung dazu geben, dass diese Gelder […] den monopolistischen Interessen der Westmächte geopfert werden“.
Durch die Einführung der D-Mark der Bank deutscher Länder in den westlichen Besatzungszonen drohten RM in größerer Menge in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) einzuströmen, was einen starken Überhang und so eine galoppierende Inflation hätte auslösen können. Aus diesem Grund ließ die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) zunächst den gesamten Fußgänger-, Personenzug- und Pkw-Verkehr zwischen den Westzonen und Berlin unterbinden und den Güterverkehr auch auf den Wasserwegen streng kontrollieren. Dabei sollen Schmuggler entdeckt worden sein, die mehrere 100.000 Reichsmark bei sich führten. In den ersten fünf Tagen sollen dennoch etwa 90 Millionen Reichsmark in die Sowjetzone gesickert sein. Außerdem ließ der Oberste Chef der SMAD und Oberkommandierende der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland Marschall Sokolowski am 22. Juni 1948 der amtierenden Oberbürgermeisterin Groß-Berlins Louise Schroeder und ihrem Stellvertreter Ferdinand Friedensburg den Befehl überreichen, in der gesamten Stadt nach einer mit Datum vom 21. Juni 1948 durch die Deutsche Wirtschaftskommission erstellten Liste von Maßnahmen ebenfalls eine Währungsreform umzusetzen. Kurz vor Mitternacht desselben Tages scheiterten dann die seit Monaten in einem Unterausschuss des Alliierten Kontrollrats geführten Verhandlungen endgültig, eine gemeinsam kontrollierte Währung in Deutschland einzuführen, an einem sowjetischen Veto. In derselben Nacht wurde die von der SMAD angeordnete Währungsreform über den Berliner Rundfunk veröffentlicht. Da anders als in der Trizone neue Geldnoten für die Deutsche Mark der Deutschen Notenbank (Ostmark) noch nicht vorlagen, wurden die bisherigen RM-Scheine als Notlösung mit kleinen Wertaufklebern in der Größe einer halben Briefmarke versehen („Klebe-“ oder „Tapetenmark“) und ab dem 23. Juni 1948 in der SBZ und in Gesamtberlin in Umlauf gebracht. Zunächst wurden je Person 70 Mark im Verhältnis 1 RM: 1 Deutsche Mark (der Deutschen Notenbank) umgetauscht. Neu gedruckte Banknoten der Deutschen Mark (der Deutschen Notenbank) wurden erst ab 24. Juli 1948 in Umlauf gebracht. RM-Münzen unterhalb einer Mark blieben noch länger in Umlauf, hatten aber nur noch ein Zehntel ihres Wertes. Das führte zu dem Kuriosum, dass die im Westen ungültig gewordenen in RM notierenden 50-Pfennig-Stücke von Kennern der Verhältnisse gesammelt und an die Verwandtschaft in der SBZ geschickt wurden, wo sie wenigstens noch fünf Pfennige in Deutscher Mark (der Deutschen Notenbank) wert waren.
Die Erstausstattung mit D-Mark
Die Ausgabe des „Kopfgeldes“ erfolgte im ersten Schritt ab dem frühen Sonntagmorgen, 20. Juni 1948, an Einzelstehende bzw. Haushaltsvorstände in Höhe von 40 DM je Kopf, in der Regel als 1 Zwanzigmarkschein, 2 Fünfmarkscheine, 3 Zweimarkscheine, 2 Einmarkscheine und 4 Einhalbmarkscheine. Jeder natürlichen Person wurden einen Monat später 20,– DM bar ausgezahlt. Bei der späteren Umwandlung von Reichsmark beispielsweise in Bankkonten wurden diese 60 DM angerechnet. Ausgabestellen waren verschiedenste gemeindliche Stellen vom Ratshaus über Lebensmittel-Ausgabestellen bis zum Ernährungsamt.
Unternehmen, Personenvereinigungen, Gewerbetreibende und Angehörige freier Berufe erhielten auf Antrag bei ihrer Abwicklungsbank einen Geschäftsbetrag von 60 DM je Arbeitnehmer als Vorgriff auf die „späteren Ansprüche aus dem Umtausch von Altgeld“.
Den Geschäftsbanken wurden von den Landeszentralbanken vorläufig 1% ihrer Reichsbankverbindlichkeiten aus Kundenkonten gutgeschrieben.
Die Erstausstattung der öffentlichen Hand erfolgte für die Länder und kommunalen Gebietskörperschaften durch die Landeszentralbanken, für die Bahn- und Postverwaltungen durch die „Bank Deutscher Länder“. Die Länder und kommunalen Gebietskörperschaften erhielten eine durchschnittliche Monatseinnahme, die Bahn- und Postverwaltungen die Hälfte einer durchschnittlichen Monatseinnahme (Berechnungszeitraum jeweils vom 1. Oktober 1947 bis 31. März 1948).
Am 21. Juni 1948, dem Stichtag der Währungsreform, erlosch die Gültigkeit aller alten Zahlungsmittel außer den Münzen zu 10 und 50 Pfennig und den 1 RM Banknoten die zu einem Zehntel ihres Nennwertes vorerst noch gültig blieben, bis die neuen Münzen ausgegeben werden konnten; gleiches galt für Briefmarken.
Umstellung der Reichsbankkonten
Bis zum Stichtag 26. Juni 1948 mussten alle natürlichen und juristischen Personen – ausgenommen die Geldinstitute – bei einer Hauptumtauschstelle der Abwicklungsbank ihr Baraltgeld abliefern und ihre gesamten Altgeldguthaben anmelden, sonst verfielen sie. Nach Genehmigung durch das Finanzamt wurde das Guthaben über ein „Reichsbank-Abwicklungskonto“ umgestellt.
Bei den natürlichen Personen wurde vom Gesamtaltgeld zunächst der neunfache Kopfbetrag abgezogen. Der Rest wurde zu je 50% auf ein Freikonto und 50% auf ein Festkonto umgestellt. Kurze Zeit später wurde das Festkonto aufgelöst, indem 70% seines Betrages vernichtet, 20% auf Freikonto und 10% auf Anlagekonto übertragen wurde. Letztlich ergab sich so ein faktisches Umstellungsverhältnis von zunächst 10:0,65. Im Jahr 1957 wurden Sparguthaben, die bereits am 1. Januar 1940 bestanden, durch das Altsparergesetz auf 20% des Nennwertes in Reichsmark aufgestockt, so dass im Ergebnis ein Umstellungsverhältnis von RM zu DM in Höhe von 10:1 bestand.
Bei den Wirtschaftsunternehmen wurde vom Altgeld der zehnfache Geschäftsbetrag abgezogen und die Umstellung danach wie bei den natürlichen Personen vorgenommen.
Die Altgeldguthaben der Banken sowie der öffentlichen Hand erloschen.
Umstellung sonstiger Forderungen und Verbindlichkeiten
Aktie über 1000 RM der Südharz-Eisenbahn-AG vom November 1926,
1951 umgestellt auf 1000 DM
Für die Umstellung galt:
- abgeschlossene Verbindlichkeiten wurden mit einem Kurs 10 Reichsmark (RM) zu 1 DM (10:1) umgestellt;
- laufende Verbindlichkeiten wie Löhne, Renten, Pensionen, Pachten und Mieten im Kurs 1:1;
- Aktien wurden ebenfalls 1:1;
- Schuldverschreibungen, Hypotheken und sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten sowie die Prämienreserven der privaten Versicherungen und die Bausparguthaben der Bausparkassen wurden im Verhältnis 10:1 umgestellt;
- die laufenden Beiträge blieben im Verhältnis 1:1 bestehen;
- Verbindlichkeiten des Reichs und gleichgestellte Verbindlichkeiten wurden nicht umgestellt, erloschen jedoch noch nicht.
- Bargeld und letztlich auch Sparguthaben wurden zum Kurs 100 RM zu 6,50 DM umgetauscht.
Mit der Währungsreform vom 20. Juni 1948, an der wenige Tage später auch West-Berlin teilnahm, wurde Deutschland endgültig in zwei Wirtschaftsräume geteilt. Die parallel zur Einführung der D-Mark aufgehobene Zwangsbewirtschaftung entzog dem Schwarzmarkt schnell die Grundlage.
Als Folge der Währungsumstellung verhängte die Sowjetunion am 24. Juni 1948 die Berlin-Blockade, worauf die Westalliierten ab dem 26. Juni 1948 mit der Luftbrücke nach Berlin reagierten.
Bereits im April 1945, noch vor der Kapitulation und vollständigen Besetzung Deutschlands, hatte Josef Stalin gegenüber Milovan Djilas dargelegt, was er als Folge militärischer Besetzungen ansah: „Wer ein Gebiet besetzt, wird auch sein Gesellschaftssystem bestimmen. Jeder wird sein System so weit einführen, wie seine Armee vorrücken kann.“ Entsprechend kam es seit 1944 zur Errichtung sozialistischer bzw. kommunistischer Regimes in den osteuropäischen Staaten Polen (1944), Albanien (1944), Bulgarien (1944), Ungarn (1945), Tschechoslowakei (1948) und Rumänien (1948). Auf diese Expansion antworteten die Westmächte ab 1947 mit ihrer Containment-Politik, der Ost-West-Konflikt vertiefte sich. Im durch die Vier Mächte besetzten Deutschland wurde er besonders deutlich. Abweichend vom Beschluss im Zonenprotokoll vertrat die Sowjetunion immer häufiger die Auffassung, die ehemalige Reichshauptstadt Berlin sei als Ganzes Bestandteil ihrer Besatzungszone. Sie schränkte die Zufahrtswege von den Westzonen in die Westsektoren Berlins immer wieder ein, meist unter der Angabe technischer Schwierigkeiten oder formaler Erfordernisse – es entwickelte sich nach den Worten des französischen Präsidenten ein „Krieg der Nadelstiche“ (une petite guerre à coups d’épingles): So erklärte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) Mitte Januar 1948 die Durchfahrgenehmigungen für Transporte auf der Autobahn zwischen Helmstedt und Berlin für ungültig. Zehn Tage später wurde der Nachtzug von Berlin nach Bielefeld in der sowjetischen Zone aufgehalten. 120 deutsche Passagiere wurden nach Berlin zurückgeschickt, die übrigen, Angehörige der britischen Besatzungsmacht, durften erst nach elf Stunden Wartezeit weiterfahren. Im Februar wurde ein unter amerikanischer Regie fahrender Eisenbahnzug behindert, weitere Schikanen der sowjetischen Besatzungsbehörden trafen auch die Binnenschifffahrt
Zugesicherte Versorgungswege, ausgeschlossene Versorgung
Bei der Festlegung der Sektoren in der Konferenz von Jalta waren keine Regelungen über die Verkehrswege zwischen den Berliner West-Sektoren und den West-Zonen getroffen worden. Am 29. Juni 1945, einige Tage vor dem Einzug ihrer Truppen in die West-Sektoren, forderten daher General Lucius D. Clay und General Weeks von ihrem Kollegen Marschall Schukow vier Zuglinien, zwei Straßen und zwei Luft-Korridore, um darüber ihre Soldaten und deren Angehörigen versorgen zu können. Schukow gestand zunächst nur eine Zuglinie, eine Straße (über Helmstedt-Marienborn) und einen Luft-Korridor zu. Im zwischenzeitlich eingerichteten Kontrollrat sicherten die Sowjets am 10. September 1945 den nunmehr drei westlichen Stadtkommandanten mündlich zu, dass täglich bis zu zehn Züge durch die SBZ nach West-Berlin fahren dürfen. Diese Zahl wurde am 3. Oktober 1947 auf sechzehn Züge pro Tag erhöht – allerdings erneut nicht durch schriftlichen Vertrag. Am 30. November 1945 wurden den westlichen Stadtkommandanten drei Luftkorridore zwischen Hamburg, Hannover und Frankfurt am Main und Berlin schriftlich zugesagt. Am 26. Juni 1946 sagte die sowjetische Seite schriftlich zu, dass unter bestimmten Einschränkungen auch die Wasserwege durch die SBZ von und nach West-Berlin genutzt werden dürfen, worüber bisher die ganz überwiegende Menge der Steinkohle aus dem Ruhrgebiet nach Berlin gekommen war.
Ab Januar 1948 schränkte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) in wechselnder Dauer und Art wiederholt den Güter- und Personenverkehr sowohl der westalliierten Militärs als auch von Zivilisten von den Westzonen in die Westsektoren Berlins ein. Eine erste Zuspitzung gab es, als auf Anordnung des Chefs der SMAD, Wassili Danilowitsch Sokolowski, ab dem 1. April 1948 eine Reihe von Straßen im sowjetischen Sektor für Transporte in die Westsektoren blockiert wurden. Briten und US-Amerikaner beantworteten dies ab dem 3. April mit der „kleinen Luftbrücke“, die zwei Tage lang ihre Garnisonen in Berlin versorgen musste.
Berlin-Blockade
Die am 20. Juni 1948 von den Westalliierten durchgeführte Währungsreform in den drei Westzonen nahm die sowjetische Besatzung dann zum Anlass einer unbefristeten Blockade.
Zunächst wurden die Westsektoren Berlins in der Nacht auf den 24. Juni 1948 von der Stromversorgung aus der Sowjetisch besetzten Zone (SBZ) abgeschnitten. Gegen 6 Uhr am 24. Juni folgte die Unterbrechung des gesamten Güterverkehrs als auch des Personenverkehrs auf Straßen, Schienen und einige Tage später (entgegen der schriftlichen Zusage von 1946) auch zu Wasser von den westlichen Besatzungszonen nach West-Berlin. Bei der Ankündigung der Blockade hatte die SMAD betont, dass die Westsektoren nicht aus der SBZ oder Ostberlin versorgt und die Belieferung tatsächlich am 25. Juni 1948 eingestellt werden könnte.
Die Berliner Luftbrücke diente der Versorgung der Stadt Berlin durch Flugzeuge der Westalliierten (Rosinenbomber), nachdem die sowjetische Besatzungsmacht die Land- und Wasserwege von der Trizone nach West-Berlin vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 durch die Berlin-Blockade gesperrt hatte.
Am 1. Juli 1948 übergaben die Militärgouverneure Frankreichs, des Vereinigten Königreiches und der USA den westdeutschen Ministerpräsidenten die Frankfurter Dokumente, Papiere, in denen sie ihre Vorstellungen zur Bildung eines deutschen Staates mitteilten. Daraufhin berieten sich die Länderchefs und fassten vom 8. bis 10. Juli 1948 die Koblenzer Beschlüsse, womit sie verdeutlichten, dass es keiner Staatsgründung, sondern lediglich einer Neuorganisierung Deutschlands bedarf. Die Mitglieder einer verfassunggebenden Versammlung sollten von den Landtagen und nicht direkt gewählt werden. Vom 10. bis zum 23. August 1948 traf sich der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee zur Vorbereitung dieser Versammlung.
Am 1. September 1948 trat der 65-köpfige Parlamentarische Rat unter dem Vorsitz Adenauers in Bonn zusammen und arbeitete in den folgenden Monaten das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland aus. Im April 1949 beschlossen die drei Westmächte, die Militärregierungen in den zuvor zur Trizone vereinigten Westzonen durch eine Alliierte Hohe Kommission abzulösen und das Besatzungsstatut festzuschreiben. Am 8. Mai 1949 legten die Mitglieder des Parlamentarischen Rats das Grundgesetz vor. Am 10. Mai erörterte der Parlamentarische Rat die Frage des „vorläufigen Sitzes“ von Parlament und Regierung. Er entschied mit 33 zu 29 Stimmen zu Gunsten von Bonn gegen Frankfurt am Main. Weitere, vorher allerdings bereits ausgeschiedene Bewerber waren Kassel und Stuttgart gewesen. Einige Jahre später gaben einige Abgeordnete zu, im Sinne der Abstimmung beeinflusst worden zu sein. Ob in diesem Zusammenhang auch Bestechungsgelder geflossen waren, konnte der hierzu eingesetzte Untersuchungsausschuss des Bundestages aber nicht klären. Am 12. Mai 1949 genehmigten die drei westlichen Militärgouverneure das Grundgesetz, vorbehaltlich der Bestimmungen des Besatzungsstatuts. Am gleichen Tag beendete die Sowjetunion die Berlin-Blockade.
Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Kraft. Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erfolgte am 7. Oktober 1949. Damit existierten bis 1990 zwei deutsche Staaten.
Auch wenn die Bundesrepublik die Wiedervereinigung mit der 1949 im Osten Deutschlands gebildeten Deutschen Demokratischen Republik 1990 staatsrechtlich ohne Bruch überdauert hat, geht die historische Forschung von einer politischen und gesellschaftlichen Zäsur zwischen der alten Bundesrepublik bis 1990 und der wiedervereinigten Bundesrepublik seit 1990 aus.
Konrad Hermann Joseph Adenauer (CDU) *5. Januar1876 in Köln; † 19. April 1967 in Rhöndorf; (eigentlich Conrad Hermann Joseph Adenauer) war von 1949 bis 1963 der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und von 1951 bis 1955 zugleich erster Bundesminister des Auswärtigen.
Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU, deren Parteivorsitzender er von 1950 bis 1966 war.
Anmerkung: Wie aus der Geschichte zu entnehmen ist, hatten die nicht gewählten Vertreter der Länder die Möglichkeit zur Gründung eines neuen Staates. Wenn man sich für einen neuen Staat ausgesprochen hätte, dann würde das nur nach der Hagener Landkriegsordnung erfolgen, also in den Grenzen von 1937.
Warum sie sich für eine Neuordnung entschieden haben, liegt im Dunkel der Geschichte.
Der letzte der einen Friedensvertrag mit den Siegermächten hätte unterschreiben können (siehe Hagener Landkriegsordnung) war Rudolf Hess, der bis zu seinem Tode in der Zitadelle in Berlin-Spandau eingesessen hat. Bewacht von den „vier Siegermächten“.
2009 stellte Obama in Ramstein fest: „Deutschland ist ein besetztes Land, und das wird auch so bleiben!“ Genauso sagte er auch vor seinen Soldaten, dass Deutschland in den Grenzen von 1937 weiter besteht.
Finanzminister Schäuble sagte vor einiger Zeit im Fernsehen:
„Deutschland war seit dem 08. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt souverän.“
Polenpolitik des deutschen Kaiserreiches
Der Text Stammt aus: www.poleninderschule.de
Der Historiker Wolfgang Wippermann zur Polenpolitik des deutschen Kaiserreiches Am 15. Januar 1886 bezeichnete der sozialdemokratische Abgeordnete Wilhelm Liebknecht im Reichstag die bevorstehende Ausweisung von 35 000 Polen (und Juden) aus Preußen als einen „Akt der Barbarei, der im Namen der Kultur begangen wird“. Dies war eine polemische, aber durchaus zutreffende Charakterisierung nicht nur der Massenausweisung von 1886/87, sondern der gesamten Polenpolitik des deutschen Kaiserreiches. Schon vor der Gründung des Kaiserreiches hatte sich die preußische Polenpolitik verhärtet. Bereits unmittelbar nach der Niederschlagung der Revolution wurden alle polnischen Sonderrechte im bisherigen Großherzogtum Posen, das fortan als „Provinz Posen“ bezeichnet wurde, beseitigt. 1852 wurde Deutsch zur alleinigen Verhandlungssprache bei Gerichten. Als 1863 im russischen Teil Polens ein Aufstand ausbrach, schloss Bismarck am 8. Februar 1863 die sog. „Alvenslebensche Konvention“ ab, in der sich Preußen verpflichtete, den russischen Truppen bei der Niederschlagung des polnischen Aufstandes zu helfen.
Auch nach der Reichsgründung hat Bismarck aus seiner antipolnischen Einstellung kein Hehl gemacht. Doch die von Bismarck und seinen Nachfolgern betriebene Polenpolitik hatte nicht nur das Ziel, die nationalpolnischen Bestrebungen zu unterdrücken und die polnischen Staatsbürger des Deutschen Reiches, die allenfalls Preußen, aber keine Deutschen sein wollten, so umfassend und so schnell wie möglich zu germanisieren. Ähnlich wie die Katholiken, die Sozialdemokraten und die übrigen nationalen Minderheiten wie Dänen und Franzosen wurden auch die Polen zu „Reichsfeinden“ erklärt. Diese Politik diente der „negativen Integration“ der Mehrheitsbevölkerung. Sie müsse, so wurde suggeriert, bedingungslos der Reichsregierung folgen, weil das Reich von diesen „Reichsfeinden“ bedroht sei. Mit dem Hinweis auf die angebliche Gefahr, die von diesen „Reichsfeinden“ drohte, wurde gleichzeitig von unübersehbaren politischen und sozialen Missständen abgelenkt. Tatsächlich hat der Kampf gegen die „Reichsfeinde im Allgemeinen, die polnische Minderheit im Besonderen“ die Rechts- und Verfassungsstruktur des deutschen Kaiserreiches unterhöhlt und den Widerstand gerade der deutschen Staatsbürger polnischer Nationalität entfacht und radikalisiert. Dies gilt vor allem für die folgenden antipolnischen Maßnahmen und Sondergesetze: Nachdem bereits 1871 die 1841 eingerichtete katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium abgeschafft wurde, kam es in den folgenden Jahren im Zuge des Kulturkampfes zu verschiedenen Verhaftungen von polnischen Geistlichen. Unter ihnen befanden sich zwei katholische Bischöfe. In der Folgezeit konzentrierte sich die preußischdeutsche Regierung auf eine Zurückdrängung der polnischen Sprache. 1873 wurde Deutsch zur alleinigen Unterrichtssprache in der Provinz Posen. Nur der Religionsunterricht durfte vorerst noch in der Muttersprache der Kinder erteilt werden. 1876 wurde angeordnet, dass bei allen Behörden und politischen Körperschaften nur die deutsche Sprache zu verwenden sei. 1886 wurde das „Gesetz betreffend die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Provinzen Westpreußen und Posen“ erlassen. Der Staat verpflichtete sich darin, insgesamt 100 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen, um polnischen Grundbesitz aufzukaufen und zu günstigen Konditionen an deutsche Bauern zu vergeben
Nachdem 1901 und 1906 auch der Gebrauch der polnischen Sprache im Religionsunterricht untersagt worden war, kam es zunächst in Wreschen, dann in der gesamten Provinz Posen zu ausgedehnten Schulstreiks, die von den deutschen Lehrern und Schulbeamten mit beispielloser Härte unterdrückt wurden.
Das Deutsche Reich
In den Grenzen von 1937
Als Ostgebiete des Deutschen Reiches
oder auch ehemalige deutsche Ostgebiete werden die Territorien östlich der Oder-Neiße-Linie bezeichnet, die am 31. Dezember 1937 zum Gebiet des Deutschen Reiches gehört hatten, 1945 nach Ende des Zweiten Weltkriegs von Deutschland faktisch abgetrennt wurden und heute zu Polen und Russland gehören. Diese Gebiete machten etwa ein Viertel der Fläche, ein Siebtel der Bevölkerung und einen deutlich unterdurchschnittlichen Anteil an der Industrieproduktion Deutschlands aus. In der Volksrepublik Polen wurden diese Gebiete als „Wiedergewonnene Gebiete“ (polnisch Ziemie Odzyskane) oder als „westliche und nördliche Gebiete“ (polnisch Ziemie Zachodnie i Północne) bezeichnet.
Zu den Ostgebieten des Deutschen Reiches im weiteren Sinne werden auch Gebiete gezählt, die Deutschland bereits nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1920 aufgrund des Versailler Vertrages von 1919 abtreten musste: die Großteile der preußischen Provinzen Posen und Westpreußen, das vormals ostpreußische Gebiet von Soldau und das oberschlesische Industriegebiet (an Polen) sowie das Hultschiner Ländchen(an die Tschechoslowakei) und das Memelland (an die alliierten Mächte, 1923 von Litauen annektiert), außerdem die Stadt Danzig als Freie Stadt Danzig.
Nach der Annexion polnischer Gebiete im Rahmen der Teilung Polens 1939 wurden die in die preußischen Provinzen Ostpreußen, Schlesien sowie die Reichsgaue Wartheland und Danzig-Westpreußen, also die in das Staatsgebiet des nationalsozialistischen Deutschen Reiches inkorporierten Gebiete amtlich als „eingegliederte Ostgebiete“ bezeichnet.
Von diesem bis 1945 gültigen, räumlich anders definierten Begriff ist die Bezeichnung Ostgebiete des Deutsche Reichs zu unterscheiden.
Westverschiebung Polens: Kompensation für Gebietsverluste östlich der Curzon-Linie durch deutsche Gebiete im Norden und Westen
Entsprechend dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts hatte die Sowjetunion 1939 die polnischen Gebiete östlich der Flüsse Narew, Weichsel und San besetzt. Auch nachdem sie Teil der Anti-Hitler-Koalition geworden war, weigerte sich die Sowjetunion, diese Gebiete an Polen zurückzugeben. Auf der Konferenz von Teheran 1943 erreichte Josef Stalin die grundsätzliche Zustimmung des britischen Premiers Winston Churchill und des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zur Westverschiebung Polens: Die Gebietsverluste des Landes sollten durch deutsche Gebiete östlich der Oder kompensiert werden. Den Norden Ostpreußens mit Königsberg beanspruchte Stalin für die Sowjetunion selbst. Die polnische Exilregierung war damit nicht einverstanden: Sie bestand auf der Grenze, wie sie nach dem polnisch-sowjetischen Krieg im Frieden von Riga 1920 vereinbart worden war. Im Westen strebte sie nur den Erwerb Ostpreußens, Danzigs, Oberschlesiens und kleinerer Teile Pommerns an, denn die bei größerem Territorialerwerb notwendige Umsiedlung der acht bis zehn Millionen Deutschen, die diese Gebiete bewohnten, hielt sie für undurchführbar. Diese Haltung wurde von Amerikanern und Briten geteilt. Doch auch auf der Konferenz von Jalta vom Februar 1945 konnten sich Churchill und Roosevelt nicht mit Stalin einigen. Man bestätigte zwar die polnische Ostgrenze, wie sie in Teheran festgelegt worden war, im Westen wurde Polen aber nur vage eine Entschädigung auf Kosten Deutschlands zugesagt.
Nach dem Einmarsch der Roten Armee schuf noch vor Kriegsende Stalin Fakten: In einem Dekret des sowjetisch kontrollierten Landesnationalrats vom 2. März 1945 hieß es, alles deutsche Vermögen in den Ostgebieten sei „aufgegeben und verlassen“, weshalb es eingezogen wurde. Am 14. und 20. März wurden die Wojewodschaften Masuren, Oberschlesien, Niederschlesien, Pommern und Danzig gegründet Am 21. April 1945 schloss die Sowjetregierung einen Vertrag mit der von ihr installierten provisorischen Regierung Polens, in dem sie ihr die Verwaltungshoheit über die unter sowjetischer Besatzungsgewalt stehenden Gebiete östlich der Oder und der Lausitzer Neiße übertrug. Am 24. Mai 1945 unterstellte die Sowjetregierung diese Gebiete offiziell dem polnischen Staat, wobei sie am 5. Juni 1945 noch als Teil der sowjetischen Besatzungszone verstanden wurden.
Auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 nahmen Großbritannien und die USA diese von der Sowjetunion geschaffenen Tatsachen unter dem schwachen Vorbehalt zur Kenntnis, die endgültigen Grenzen dürften erst in einem zu schließenden Friedensvertrag verabredet werden. Sie sicherten Stalin aber zu, im Falle entsprechender Verhandlungen die sowjetischen Ansprüche auf das Gebiet um Königsberg unterstützen zu wollen. Kurz zuvor waren sie in der „Feststellung über das Kontrollverfahren“ (der Berliner Deklaration) vom 5. Juni 1945 noch von einem deutschen Territorium in den Grenzen von 1937 ausgegangen. Die Siegermächte beschlossen neben dem Friedensvertragsvorbehalt für die endgültige Grenzziehung, dass ein Alliierter Kontrollrat für eine einheitliche Besatzungspolitik in den Besatzungszonen sorgen sollte. Für die deutschen Ostgebiete galt dies jedoch nicht: Die Potsdamer Schlusserklärung vom 2. August 1945 hielt fest, dass die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone betrachtet und stattdessen fremder Verwaltung unterstellt werden sollten. Völkerrechtlich blieb diese Situation bis zur Zession aufgrund des Zwei-plus-Vier-Vertrages vom 12. September 1990 bestehen, faktisch gliederten Polen und die Sowjetunion den ehemals deutschen Osten jeweils in ihr Staatsgebiet und damit staatsrechtlich in ihre Verwaltungsstrukturen ein.
Zur Bundestagswahl 1949 warb die Sozialdemokratische Partei Deutschlands mit einem Plakat, das sogar den Polnischen Korridor von 1920 ignorierte. In seinem Grußwort zum Schlesiertreffen am 8. Juni 1963 rief Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von West-Berlin aus: „Deutsche Ostpolitik darf nie hinter dem Rücken der Vertriebenen gemacht werden. Wer die Oder-Neiße-Linie als Grenze betrachtet, die von unserem Volk akzeptiert ist, belügt die Polen.“
Die Deutsche Demokratische Republik erkannte im Görlitzer Grenzabkommen mit der VR Polen vom 6. Juli 1950 die Oder-Neiße-Linie als „Friedensgrenze“ und aus ihrer Sicht endgültige Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen an. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland teilten damals diesen Standpunkt nicht und maßen dem Abkommen keine rechtliche Bedeutung zu. Sie vertraten außerdem den Fortbestand des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937, wonach die Ostgebiete grundsätzlich als deutsches Inland zu gelten hatten und für deutsche Staatsbürger der Zwischenkriegszeit sowie deren Nachfahren eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit fortbestehe.
(Auszug aus Wikipedia)