Hermann

„Warum hat man mich nur so gequält?“

Ich war dreizehn Jahre alt, als ich ein Martyrium erlebte, das ich wohl niemals vergessen werde. Wir wohnten im Warthegau. Bei der Flucht im Januar 1945 wurde unsere Familie auseinander gerissen. Mein Vater, zwei Schwestern und ich wollten die Flucht dann allein fortsetzen. Daraus wurde aber nichts, denn wir blieben in den Fängen der Polen. Mich holten sie von der Familie weg und dann wurde ich mit anderen Jugendlichen auf sadistische Art und Weise gequält..

Ständig waren die polnischen Männer besoffen. Vielleicht verlieh ihnen der Alkohol ja Mut, uns deutsche Jugendliche mit den leeren Flaschen zu peinigen. Sie zerschlugen das Leergut und wir mussten uns alle nackt auf die Scherben legen. Ein anderes Mal schmierten sie Hakenkreuze auf Papierfetzen und befestigten die Schnipsel mit Stecknadeln auf unserer nackten Haut. Wir ließen die Folter über uns ergehen, aus Angst, sie würden uns erschießen. Wir ertrugen alles, weil wir tatsächlich glaubten, dass sie der Misshandlungen überdrüssig würden, wenn wir nicht schreien.

Für mich kam es noch schlimmer. Sie zogen mich nackend aus und befahlen mir, eine brennende Hitler-Strohpuppe zu küssen. Meine Angst vor dem Feuer und die Scham kann ich gar nicht in Worte fassen. Heute noch leide ich bei dem Gedanken an diese Zeit unter Schweißausbrüchen und Panikattacken.

Wir Kinder wussten an manchen Tagen kaum noch, wer wir waren, wir funktionierten einfach. Irgendwann kam der Tag, da wollte ich nur noch Ruhe haben, ich hätte den Tod als Erlösung empfunden – dabei war ich doch noch so jung. Die Polen fanden jedoch immer neue Möglichkeiten ihre Wut an uns Deutschen auszulassen und uns zu demütigen.

Eines Tages zwangen sie uns, mit anzusehen, wie sie deutsche junge Mädchen schlugen und vergewaltigten. Als die Mädchen winselnd am Boden lagen, hängten sie sie kurzerhand auf. Starr vor Entsetzen standen wir Jungen da und konnten nicht einmal mehr weinen.

Mein Schutzengel war ein russischer Soldat. Er rette mich vor weiterer Folter und nahm die Polen in Gewahrsam. Dieses Martyrium hatte ich überstanden, aber frei war ich noch lange nicht. Ich war noch nicht einmal vierzehn Jahre alt und musste auf einem ländlichen Gut, später dann im Steinbau arbeiten, wie die Erwachsenen nach Leistung. 1950, fünf Jahre nach Kriegsende, gaben mir die Polen Ausreisepapiere. Im Kreis Verden fand ich meine Familie wieder und hoffte auf einen Neubeginn. Für eine Berufsausbildung reichten aber meine schulischen Kenntnisse nicht aus, darum suchte ich mir einen Arbeitsplatz als Hilfsarbeiter.

Mein Leben ist durch den Krieg und die Flucht verkorkst. Ich musste schnell erwachsen werden und war gesundheitlich angeschlagen.

Anmerkung: Psychologische Hilfe gab es damals nicht und allein hat er es nicht geschafft. Er wurde zum Trinker und ist sehr früh verstorben.

 

Bilder: wikipedia
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